In seinem Kafka-Essay von 1934 hat Walter Benjamin zu bedenken gegeben, dass die Frage der »Organisation des Lebens und der Arbeit in der menschlichen Gemeinschaft « Kafkas Oeuvre durchzieht, ja, dass Organisation darin die Stelle des Fatums der Moderne eingenommen hat. Organisation und Recht sind nicht nur Gegenstände der literarischen Texte Kafkas.
Vielmehr gibt es zwischen seinem literarischen Werk und den unsere Moderne bestimmenden Diskursen der Organisation und des Rechts strukturelle Korrespondenzen. Es führen Lektüren von Kafkas Schreibverfahren zu Einsichten in die Gesetze, Regeln, Verfahren und Funktionsweisen von Organisation und Recht. Umgekehrt können die avancierten Organisations- und Rechtstheorien das Verständnis der Literatur Kafkas erhellen, mit Blick zumal auf die Figuren der Selbstreferentialität und Rekursivität, denen sie verstärkte Aufmerksamkeit widmen und die in Kafkas Werk eine große Rolle spielen, aber auch auf die kulturgeschichtliche und zeitdiagnostische Virulenz des Werks Kafkas. Die richtungsweisenden Arbeiten von Stanley Corngold und Benno Wagner haben für den Zusammenhang zwischen Kafkas literarischen und seinen »amtlichen« Schriften im Rahmen seiner Berufserfahrungen in der Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen (AUVA) die Grundlagen gelegt.
Der vorliegende Band versammelt führende Literatur-, Organisations und Rechtswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, die die Grenzen der Fachdisziplinen überschreiten, zu einem transdisziplinären Diskurs über das Verhältnis von Literatur und Sozialwissenschaften am Beispiel Kafkas. Für die Literaturwissenschaften sind das u.a. Rüdiger Campe, Wolf Kittler, Benno Wagner und Samuel Weber, für die Organisationstheorie u.a. Timon Beyes, Barbara Czarniawska, Jana Costas und Robin Holt, für die Rechtswissenschaft Christian Becker, Andreas Fischer-Lescano, Gunther Teubner und Literaturwissenschaftler mit besonderer juristischer Kompetenz wie Stanley Corngold und Manfred Schneider.weiterlesen