Kinderschlafmedizin
Grundlagen und Innovationen, Aktuelle Kinderschlafmedizin 2015
Produktform: Buch / Einband - flex.(Paperback)
Kinderschlafmedizin
Grundlagen und Innovationen
Bd. 5 der Serie „Aktuelle Kinderschlafmedizin 2015“
Ekkehart Paditz (Dresden), Werner Sauseng (Graz), (Hrsg.); kleanthes, Dresden 2015
40 Autorinnen und Autoren aus Deutschland, Österreich, Kanada und Brasilien stellen in 22 Beiträgen aktuelle und bewährte Fakten aus der Kinderschlafmedizin unter dem Motto „Grundlagen und Innovationen“ vor. Mit hohem Praxisbezug werden auf ca. 180 Seiten Kenntnisse über organische und nichtorganische Schlafstörungen bei Säuglingen, Kleinkindern, Kindern und Jugendlichen vermittelt. Ergebnisse aus Untersuchungen von mehr als 70.000 Kindern und Jugendlichen und aus ca. 430 Studien, Dissertationen und Buchbeiträgen werden in kompromierter Form mit hohem Praxisbezug vorgestellt.
Gedächtnis, Lernen, Schlaf und Sport
„Bei 8347 Jugendlichen im Alter von 16 bis 19 Jahren wurden deutliche Zusammenhänge zwischen Fehlstunden in der Schule und Schlafproblemen gesehen“, berichtet Kerstin Hödlmoser aus dem Institut für Psychologie der Univ. Salzburg. „Da Schlaf eine zentrale Rolle für das Lernen und für die Gedächtnisbildung spielt, ist ein geregelter Schlaf-Wach-Rhythmus ohne störende Licht- und Lärmreize wichtig“, stellt die Psychologin fest. In ihrem Beitrag erläutert sie die engen Zusammenhänge zwischen Gedächtnisbildung, Lernen und Schlaf. Kindergartenkinder profitierten demnach vom Mittagsschlaf.
Dreimal eine Stunde pro Woche Bewegung im Freien wirkt sich nachweislich auf Schlafstörungen (Insomnie) aus, weiß Annmarie Kramer aus Berlin zu berichten. Umgedreht wirkte sich ausreichend Schlaf auch auf die sportliche Leistungsfähigkeit aus. Ausgeschlafene Basketballer waren schneller, treffsicherer und besser gelaunt als diejenigen mit einem Schlafdefizit (siehe Leseprobe).
Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen
„Die aktuelle Studienlage zeigt, dass etwa 80% der Kinder und Jugendlichen von Interventionen zur Veränderung des eigenen Schlafverhaltens profitieren“, stellt die Psychologin Angelika Schlarb aus der Fakultät Psychologie und Sportwissenschaft der Univ. Bielefeld fest. Evaluierte Fragebögen und Schlaftagebücher können die Diagnostik unterstützen. Wichtig ist, den Kindern, den Jugendlichen und den Eltern Informationen über den gesunden Schlaf sowie über Konsequenzen des gestörten Schlafes zu vermitteln. Für eine ganze Reihe von Behandlungsmethoden ist die Effektivität mit zahlreichen Studien gut belegt worden. Dazu gehören u.a. die Stimuluskontrolle, Entspannungstechniken und das Infragestellen irrationaler Überzeugungen zum Thema Schlaf wie z.B. „Ich kann gut einschlafen, wenn ich im Bett noch chatte.“ Da die Kombination mehrerer Methoden sinnvoll ist, haben die Arbeitsgruppen von Frau Schlarb zwei Behandlungsprogramme für Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen entwickelt und deren Kurz- und Langzeiteffektivität in mehreren Studien nachgewiesen. Bei den kleineren Kindern steht der Zauberleopard Kalimba im Vordergrund. Jugendliche wandern mit dem Sleep doc Prof. Paul Paulsen durch ein imaginäres Schlaflabor, in dem sie gemeinsam mit ihren Eltern konkrete Hinweise zur Veränderung des eigenen Verhaltens lernen.
Die Erhebung der Anamnese kann mit Fragebögen unterstützt werden, die durch die Einbeziehung von Zeichnungen auch bereits für kleine Kinder ab der ersten Klasse verwendet werden können. Die Psychologin Barbara Schwerdtle aus der Univ. Würzburg hat dazu einen bebilderten Kinderfragebogen entwickelt und bei 393 Kindern im Alter von 6-11 Jahren evaluiert.
„Ärzte sollten zuerst zahlreiche Berichte, Beobachtungen und Befunde sammeln, bevor eine Diagnose gestellt wird“, betont Osman Ipsiroglu aus dem Kinderschlaflabor der Univ. Vancouver BC in Kanada. Erste Ergebnisse der Untersuchung von 28 Kindern, die mit der Diagnose „Autismus-Spektrum-Erkrankung“ zugewiesen wurden, zeigen, dass auf diesem Weg neben den häufig mit dem kindlichen Autismus assoziierten Ein- und Durchschlafstörungen auch bisher nicht vermutete Differenzialdiagnosen gefunden werden. Dazu gehören z.B. das Restless-Legs-Syndrom sowie unerwünschte Effekte von Medikamenten.
Werner Sauseng aus Graz stellt bei der Beratung der Eltern von Säuglingen und Kleinkindern fest, dass selbständiges Einschlafen eine wesentliche Voraussetzung für die Fähigkeit zum Durchschlafen ist.
Der Medizinjournalist Marian Schäfer aus München hat sieben leicht verständliche Regeln zur Prävention des plötzlichen Kindstodes (SIDS) formuliert, die er in Interviewform darstellt: „Schlafsack statt Decke“, „Im eigenen Bett ruhen“, „Besser ohne Kissen“, „Nicht rauchen“, „Das Kind stillen“, „Ab auf den Rücken“ und „Schnullern schützt“. Diese Empfehlungen basieren auf den Ergebnissen zahlreicher Fall-Kontroll-Studien über SIDS-Risikofaktoren und aus daraus abgeleiteten Präventionsempfehlungen.
Ehemalige Frühgeborene haben im zweiten Lebensjahr häufiger Albträume als Reifgeborene, sie schnarchen nachts öfter und sie schlafen unruhiger, wie Claudia Sander aus Rostock nach der Befragung der Eltern von 73 ehemaligen Frühgeborenen sowie von 206 Reifgeborenen herausgefunden hat. Je früher die Kinder geboren wurden und umso leichter sie zur Geburt waren, umso größer war die Wahrscheinlichkeit, dass diese Schlafprobleme beobachtet wurden.
Bei 39% der 2- bis 6-jährigen Kinder aus Graz wurde nächtliches Schnarchen beobachtet. Kinder die schnarchten, wachten nachts öfter auf, deren Eltern berichteten bei den Kindern häufiger über Nachtschweiß und schreckhaftes Aufwachen (Pavor nocturnus)(Bettina Konradt, Graz). Der Kinderneurologe Stephan Eichholz aus Dresden weist darauf hin, dass abendliche Rituale, zu denen auch Gespräche über die Tageserlebnisse gehören sollten, deutlich zur Beeinflussung des Pavor nocturnus beitragen können.
Obstruktive Schlafapnoe und Ateminsuffizienz im Schlaf bei Kindern und Jugendlichen
In fünf weiteren Beiträgen wird untersucht, welche Bedeutung das nächtliche Schnarchen und obstruktive Schlafapnoen in dieser Altersgruppe haben. Ein weiterer Beitrag befasst sich mit dem Thema Beatmung bei der Spinalen Muskelatrophie:
70% (403/593) der deutschlandweit befragten Menschen mit Down-Syndrom schnarchen nachts. Über Tagesmüdigkeit der Menschen mit Down-Syndrom berichteten die Eltern in einer Häufigkeit von 60% (346/589). In einer populationsbasierten Untersuchung aus Norwegen wurden bei 83% bzw. 59% aller Kinder mit Down-Syndrom polysomnografisch leichte bzw. mittel- bis schwergradige obstruktive Schlafapnoen diagnostiziert. Die sich daraus ergebenden schlafmedizinischen Behandlungsempfehlungen werden zur Zeit unter Federführung von Tilman Rohrer aus der Univ.-Kinderklinik Homburg/Saar in einer interdisziplinären AWMF-Leitlinie „Down-Syndrom“ zusammengefasst (Ekkehart Paditz, Dresden).
Bei Kindern mit Lernstörungen und obstruktiver Schlafapnoe hat die Entfernung der Rachen- und der Gaumenmandeln bei 6 von 20 operierten Kindern im Alter von 9 Jahren zur Verbesserung kognitiver Leistungen beigetragen (Silke Weber, Univ. Sao Paulo, Brasilien). Die sogen. Tübinger Atmungsplatte führte bei 51 von 56 behandelten Kindern mit komplexen Gesichtsfehlbildungen zur Beseitigung oder Verminderung der schlafbezogenen Atmungsstörung (Silvia Müller-Hagedorn, Kieferorthopädie Univ. Tübingen). In Rostock und Kiel wurde anhand der Untersuchungsergebnisse von 1.000 Patienten nachgewiesen, dass kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungen zur Verbesserung der anatomischen Voraussetzungen im Bereich des knöchernen Gesichtsschädels beitragen (Bernd Koos, Rostock). „Kinder mit Schlafstörungen bei Lippen-Kiefer-Gaumenspalte haben von der interdisziplinär angelegten Behandlung in besonderem Masse profitiert“, berichtet der Autor. Neonatologen fanden bei einem Säugling mit schwerer obstruktiver Apnoe eine zystische Fehlbildung in Form einer Thyreoglossuszyste im Bereich der oberen Atemwege (Wolfgang Buchenau, Univ.-Kinderklinik Tübingen).
Aus Ulm wird über die außerklinische Beatmung bei Kindern mit Spinaler Muskelatrophie Typ 1 berichtet. Kurt Wollinsky stellt ausgehend von den eigenen Erfahrungen auf der Grundlage der Fachliteratur sowie im Konsens mit Selbsthilfegruppen fest, dass die Beatmung auch bei dieser schweren Erkrankung zur Standardtherapie gehört.
Polysomnografie
Stephan Eichholz aus Dresden gibt Hinweise zur Untersuchung von Kindern mit neurologischen Erkrankungen im Kinderschlaflabor. Die Erkennung der Schlafstadien und der Weckreaktionen im Schlaf (Arousals) wird anhand zahlreicher typischer Bilder von Sabine Scholle aus Apolda erläutert. Sie stellt auch aktuelle Ergebnisse zur Häufigkeit von Beinbewegungen im Schlaf bei Kindern und Jugendlichen vor. Christine Hentrich und Barbara Schneider aus Apolda bzw. aus Landshut zeigen, wie Messfehler während der Untersuchung weitgehend vermeiden werden können und sie geben Hinweise, wie die Standards der Krankenhaushygiene im Kinderschlaflabor berücksichtigt werden können.
Zielgruppe
Das Buch richtet sich an Kinderärzte, Kinder- und Jugendpsychiater, Kinderpsychologen, HNO-Ärzte, Kieferorthopäden, Kieferchirurgen, Kinderkrankenschwestern und -pfleger, MTA und an alle weiteren Interessenten, die an aktuellem Wissen mit hohem Praxisbezug aus der Kinderschlafmedizin interessiert sind.weiterlesen