Als „Klänge“ Von Wassily Kandinsky 1912 im Münchner Piper Verlag erschien – Auflage: 345 Stück – ahnten weder Verlag noch Öffentlichkeit, dass mit diesem schmalen Band mit seinen Holzschnitten und 38 Prosagedichten als Bindeglied zwischen Epochen und Stilen legendär werden sollte. Kandinsky selbst betrachtete die entstandene Verknüpfung von Bild und Text als Befreiung, Als Akt der Überwindung künstlerischer Beschränkungen. „In der Vergangenheit wurde ein Künstler stets schief angeschaut, wenn er sich schriftlich auszudrücken suchte – als Maler hatte man sogar mit dem Pinsel zu essen und so zu tun, als gäbe es keine Gabel.“ So wie sich Kandinsky in seiner Malerei Schritt für Schritt von der Gegenständlichkeit entfernte, so versuchte er parallel dazu in einer ihm eigentlich fremden Sprache die oberflächliche Bedeutung der Wörter zu überwinden, die Möglichkeit einer neuen Bedeutung, die sich nur in Klang und Rhythmus des jeweiligen Wortes erschloss, zu ergründen. Manches erinnert hierbei an die expressionistische Dichtung der Zeit, doch geht Kandinsky oft auch einen Schritt weiter, gelingen ihm Zeilen, die schon auf etwas verweisen, das bald Dada heißen wird. Kein Wunder, dass Hugo Ball über „Klänge“ ins Schwärmen gerät: „Niemand, nicht einmal die Futuristen, haben die Sprache dermaßen ausgemistet.“ Wenn Kandinsky schreibt, können wir dem Maler beim Sehen zuhören – so nahe kommen wir selten dem Schaffensprozess eines bildenden Künstlers. Dies mag daran liegen, dass für Kandinsky das Schreiben „bloß ein Wechsel des Handwerkszeugs“ ist: „Statt der Palette verwende ich nun die Schreibmaschine. aber mein innerer Antrieb bleibt derselbe.“
Das „Klänge“-Projekt der Abteilung Hörspiel und Medienkunst des Bayerischen Rundfunks, angeregt von Herbert Kapfer, realisiert von Karl Bruckmaier, übergibt nun diese Texte Kandinskys nach über einem Jahrhundert einer neuen, pop-sozialisierten Generation von Künstlern – die meisten Musiker, manche auch in der bildenden Kunst aktiv, manche selbst Kunstsammler und Kenner -, um auszuloten, welche Wechselwirkung die „pression intérieure“ des nachgerade archetypischen „modernen Künstlers“ Kandinsky in einem neuen Kontext auszulösen in der Lage ist.
Mit: Federico Sánchez / Belp / Antye Greie / Kaiku Choir Hailuoto / Chris Cutler / Susanne Lewis / Bob Drake / Wrekmeister Harmonies / Jeff Beer / Lydia Daher / Tobias Von Glenck / Markus Christ / Moritz Illner / Emily Manzo / Christy & Emily /david Grubbs / Eli Keszler / Sophia Domancich / Sylvaine Hélary / Yves Rousseau / Simon Goubert / Saam Schlamminger / Glenn Jones / Matt Azevedo / Vladislav Delay / Gudrun Gut / The Mistakeman / Butchy Fuego /john Herndon / Erica Dicker / Katherine Young / Ken Vandermark / Roger Miller / Helga Fellerer / Detlef Kügow / Gabriel Raab / Kathrin Von Steinburg / Sebastian Weberweiterlesen