Die CD rückt ein vier Jahrzehnte umspannendes Repertoire Wiener Liedkomposition in den Mittelpunkt, wie es nur selten im Programm von Liederabenden oder Tonträger-Einspielungen zu finden ist. Die meisten der hier versammelten Stücke (die Lieder Haydns, Mozarts, Beethovens und Schuberts ausgenommen) sind heute kaum mehr bekannt; einige dürften nach rund 200-jährigem Archivdasein zum ersten Mal wieder vor Publikum vorgetragen worden sein. Komponiert im Wien der Zeit zwischen Josephinismus und Wiener Kongress, erfreuten sich deutschsprachige Klavierlieder in den privaten und halböffentlichen Musiksalons der Wiener Intellektuellenzirkel zunehmender Beliebtheit und bildeten – nicht zuletzt als Ausdruck eines erstarkenden bürgerlichen Selbstverständnisses – einen integralen Bestandteil der musikalischen Alltagskultur. Schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aber wurden sie vom neuen, mit Franz Schubert assoziierten Liedideal der Romantik verdrängt und gerieten bald in Vergessenheit.
Wie umfangreich, vielfältig und spannend das seit den 1770er Jahren in Wien entstandene Liedrepertoire tatsächlich war, zeigt ein aktuelles Forschungsprojekt von Gundela Bobeth zur Wiener Liedkultur um 1800, das den bislang angenommenen Quellenbestand auf rund das Dreifache erweitert und zu einer grundlegenden Neubewertung dieses lange vernachlässigten Kapitels Wiener Musikgeschichte beiträgt. Knut Schoch und Henning Lucius erwecken erstmals eine repräsentative Auswahl aus dem reichen Repertoire zu neuem Leben und vermitteln einen Eindruck von der bemerkenswerten Bandbreite Wiener Liedkompositionen, angefangen von den ersten gedruckten Liedersammlungen bis zu der Zeit des jungen Schubert.weiterlesen