Krieg und Frieden im Prozess der Globalisierung
Produktform: Buch / Einband - flex.(Paperback)
Die rechtsnormativen Prinzipen des Internationalen
Öffentlichen Rechts, die bereits von Kants politischer
Philosophie theoretisch vorbereitet wurden und nach den
Erfahrungen eines tragischen Scheiterns des überlieferten
Völkerrechts bei dessen Versuch, den Frieden weltweit
rechtlich sicherer zu machen, neu begründet worden sind,
lassen sich in der Praxis der Weltpolitik nur dann bewähren,
wenn sich die Vereinten Nationen und die aus ihnen
hervorgegangenen globalen Institutionen zu einer radikalen
Reform entschließen, die die geschichtlich bedingten
Kompromisse in der Charta der UN wie die herausgehobenen
Sonderrechte der Alliierten des Zweiten Weltkriegs
überwindet. Das nach dem Zweiten Weltkrieg im Ansatz
erfolgreich reformierte Internationale Öffentliche Recht
muss auf der Grundlage seiner Prinzipien weiterentwickelt
werden. […]
In diesem Sinn enthält der geforderte republikanische
Charakter des globalen Öffentlichen Rechts keine Aufforderung
zur Begründung eines globalen Staatswesens,
der gleichsam über und quer zu der verfassten Staatenordnung
steht. Ein als republikanisch qualifiziertes
globales öffentliches Recht hätte vielmehr die Aufgabe,
nur die wirklich universalen Funktionen des Rechts wie
die globale Sicherung des Friedens und die Geltung der
Menschenrechte durch geeignete Verfahren weltweit zu
garantieren, ohne dass es hierzu eines 'Weltstaats' mit
allen Merkmalen staatlicher Macht und Souveränität bedürfte.
Das institutionelle Design eines solchen globalen
öffentlichen Rechts müssten vielmehr alle Staaten und
völkerrechtlichen Subjekte erst gemeinsam bestimmen,
zu denen im Sinne der Rechtsentwicklung des internationalen
Rechts heute neben den Staaten und den internationalen
Organisationen mehr und mehr auch die einzelnen
Menschen zu zählen sind.
Eine globale öffentliche Rechtsordnung republikanischen
Zuschnitts im Sinne von Kant hat somit diese eine
Aufgabe wahrzunehmen, nämlich die Freiheit und die
Menschenrechte weltweit zu sichern, und dies im Konfliktfall
auch unabhängig von der Eingriffsmacht der
Einzelstaaten, ihren Regierungen und internationalen
Vereinbarungen; denn offensichtlich müssen die grundlegenden
Rechte der Menschen auf körperliche und geistige
Unversehrtheit, auf Freiheit und Gleichheit vor dem
Gesetz sowohl gegenüber den Einzelstaaten geschützt
werden, ggf. sogar gegen die Zugriffe der Staaten gegenüber
ihren eigenen Staatsbürgern, als auch gegenüber den
im Zuge der Globalisierung sich herausbildenden internationalen,
transnationalen oder global agierenden Institutionen,
Staatengemeinschaften und privaten Akteuren.
Das globale Öffentliche Recht hat im Rahmen dieser
seiner Aufgabenbeschreibung insbesondere den Frieden
zwischen den Staaten durch verlässliche, allen Beteiligten
transparente und unparteiische Verfahren zu sichern, bei
denen nicht die Einzelstaaten die letzten Garanten für die
Einhaltung der Rechte sind, sondern die republikanisch
organisierte Weltgemeinschaft.
Dieses Ziel erscheint rechtspolitisch als eine Aufgabe,
die im Horizont der Prozesse der Globalisierung normativ
unabweisbar ist, wenn die oben beschriebenen
Herausforderungen für das internationale Recht in
Übereinstimmung mit dessen grundlegenden Prinzipien
gelöst werden sollen. Das ist allerdings politisch nur zu
erreichen, wenn vor allem die Institutionen der Vereinten
Nationen, allen voran der Sicherheitsrat, reformiert und
rechtspolitisch weiterentwickelt werden im Sinne einer
institutionellen Überwindung derjenigen inneren Mechanismen,
die zu den systembedingten Herausforderungen
und Systemaporien führen. Diese Reform soll zu
einer Konstitutionalisierung des Öffentlichen Rechts auf
Weltebene führen, somit zu einer die Rechtsprinzipien
der Freiheit und Gleichheit der Individuen und der Staaten
in Form geeigneter öffentlicher Verfahren sichernden
globalen Rechtsordnung, die den Organisationen
und Gerichtsverfahren der Staatengemeinschaft, denen
die Aufgabe des Schutzes der unveräußerlichen Grundrechte
der Menschen zukommt, einen rechtspolitisch
verlässlichen Rahmen bietet. Nur so lassen sich auch die
von Walzer und Buchanan vorgeschlagenen, im Ergebnis
aber wohl weder den Frieden noch die Menschenrechte
dauerhaft sichernden Postulate der Selbstermächtigung
zu präventivem einzelstaatlichem Handeln erübrigen.
In Ergänzung zu dieser Reform und im Sinne der Weiterentwicklung
eines effektiven, mit Durchgriffsrechten
der Weltgemeinschaft ausgestatteten globalen Rechts der
Vereinten Nationen müssten allerdings auch Prozesse der
Verrechtlichung und Demokratisierung innerhalb der
bestehenden Staaten weltweit angestoßen und rechtspolitisch
unterstützt werden. Nur so kann auch der Weitergabe
und Entwicklung von atomaren Waffensystemen
langfristig wirksam Einhalt geboten werden; denn die
dem geltenden internationalen Recht zuwiderlaufende,
also nicht nur normativ betrachtet illegitime, sondern
auch illegale und kriminelle Entwicklung weiterer Massenvernichtungsprogramme
und Atomwaffen wird de
facto fast ausschließlich von autoritären, despotischen,
also nicht-republikanischen Regimen aktiv betrieben,
wie die negativen Beispiele Nordkorea, Pakistan, Syrien
oder Iran belegen. Dabei können zugleich auch die spezifischen
Chancen der Globalisierung zur Herausbildung
globaler zivilgesellschaftlicher Strukturen für einen ungehinderten,
weltweiten Austausch von Bildung und von
freier politischer Information, von kultureller Kommunikation,
von Wissenschaft und öffentlicher Kritik durch
die Politik und die Zivilgesellschaften der Demokratien
genutzt werden, so dass auf diesem Weg auch einer Instrumentalisierung
der Religionen für die politischen
Konflikte zwischen den Staaten oder Ethnien der Boden
entzogen werden kann.
(Aus: Matthias Lutz-Bachmann, 'Die Androhung und
der präventive Einsatz militärischer Gewalt. Herausforderungen
für das Internationale Öffentliche Recht')
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