Seit der Mensch immer mehr Lärm erzeugt, vor allem Maschinenlärm mit seinem menschenfernen Pulsieren, wächst das Bedürfnis, die Sehnsucht nach Stille. Mitten im 19. Jahrhundert schon pries ein französischer Maler und Schriftsteller das Schweigen der afrikanischen Wüste: 'Es schenkt der Seele ein Gleichgewicht, das du nicht kennst, der du immer im Lärm gelebt hast'. Im hier vorliegenden Essay geht es nur am Rande um kulturkritische Aspekte. Sein Thema ist ein zentrales Moment in den seit Anfang engsten Beziehungen zwischen Sprache und Musik: das spannungsvolle Verhältnis von Ton und Nicht-Ton in der Musik, von Sprechen und Pausieren in Rhetorik und Poesie. Pausen als Momente von Stille sind substantiell, sind unabdingbar für Sinngliederung, Verständnis und zwischenmenschliche Kommunikation. 'Das Schweigen bildet den Horizont, vor dem alles Reden sich vollzieht. Es durchdringt und umfängt den Prozeß des Sprechens. In den Pausen zwischen den Worten und Sätzen, in denen sich die Gedanken bilden, hat es seinen Ort und seine Zeit. Für den Zuhörer ist es eine notwendige Bedingung für die Entschlüsselung der semantischen und metaphorischen Dimension der Rede.' Was der Anthropologe Christoph Wulf über das Schweigen im Sprechakt ausführt, gilt fast noch mehr für Musik. Der Blick in die Geschichte der europäischen Musik läßt einen verblüffenden Reichtum an Funktionen und Bedeutungen erahnen, die der vermeintlich so bescheidenen Erscheinung ›Pause‹ zukommen können.weiterlesen