Kurzschlussstromberechnung in Netzen mit Vollumrichteranlagen
Produktform: Buch
Der zunehmende Anteil von Erzeugungsanlagen mit Vollumrichtern (Vollumrichteranlagen) an der Einspeiseleistung in das Elektroenergiesystem erfordert die Integration der Anlagen in die Kurzschlussstromberechnung. Die Kurzschlussnorm IEC 60909-0 bzw. DIN EN 60909-0 aus dem Jahr 2016 enthält eine Erweiterung des Verfahrens mit der Ersatzspannungsquelle an der Kurzschlussstelle um die Berücksichtigung von Vollumrichteranlagen. Die hierbei getroffenen Näherungen und Vereinfachungen sowie das Fehlen eines exakten Berechnungsverfahrens motivieren die Erweiterung des Überlagerungsverfahrens um die Berücksichtigung des spannungsabhängigen Kurzschlussstrombeitrags von Vollumrichteranlagen in dieser Arbeit. Einleitend wird das Fault Ride-Through-Verhalten einer Erzeugungsanlage mit Vollumrichter mithilfe eines detaillierten Simulationsmodells während eines dreipoligen Kurzschlusses untersucht. Es zeigt sich, dass in Abhängigkeit vom Spannungseinbruch am Netzanschlusspunkt der Anlage eine kapazitive Blindstromeinspeisung zu technischen Problemen und einem damit verbundenen Verlust des synchronen Netzbetriebs führen kann. Die physikalischen Grenzen der Wirk- und Blindstromeinspeisung werden in Bezug zur Spannung am Netzanschlusspunkt aufgezeigt. Eine Missachtung dieser Grenzen führt in der iterativen Kurzschlussstromberechnung zum Ausbleiben der Konvergenz. Zur Entwicklung eines möglichst exakten Verfahrens zur Berechnung des Anfangs-Kurzschlusswechselstroms folgt eine mathematische Beschreibung des Kurzschlussstrombeitrags der Vollumrichteranlagen. Hierbei wird die gemäß den technischen Anschlussregeln in Deutschland geforderte spannungsabhängige Blindstromeinspeisung von netzstützenden Anlagen sowie eine mögliche Kurzschlussstromeinspeisung von netzbildenden Anlagen berücksichtigt. Die Einbeziehung netzbildender Anlagen ermöglicht die Berechnung des Kurzschlussstrombeitrags von Inselnetzen ohne das Konvergenzprobleme auftreten. Zudem wird ein Filterkriterium abgeleitet, um Anlagen mit einer unzulässigen Kurzschlussstromeinspeisung zu identifizieren und deren Beitrag gegebenenfalls anzupassen. Die Anwendung des in dieser Arbeit entwickelten iterativen Verfahrens zur Kurzschlussstromberechnung auf zwei exemplarische Netzgebiete zeigt, dass der nach Norm berechnete minimale Anfangs-Kurzschlusswechselstrom I ki min bei ausbleibendem Kurzschlussstrombeitrag der Vollumrichteranlagen und bei einer Inselnetzbildung unterschritten werden kann. Weiterhin sind die Betriebsströme der Vollumrichteranlagen im Vorfehlerzustand für eine exakte Aufteilung des resultierenden Kurzschlussstroms in den jeweiligen Beitrag der konventionellen thermischen Erzeugungsanlagen und den Beitrag der Vollumrichteranlagen zu berücksichtigen. So ist der Kurzschlussstrombeitrag der konventionellen thermischen Erzeugungsanlagen nicht ausschließlich abhängig von der Spannungsänderung an der Kurzschlussstelle beim Übergang in den Kurzschlusszustand, wie dies in der normierten Berechnung angenommen wird.weiterlesen