Lärmende Geschenke
Die drohenden Versprechen der Korruption Mit einem Geleitwort von Peter Fuchs. Enthält ein Interview mit dem ehemaligen Siemens-Manager Rudolf G. Vogel
Produktform: Buch
Bestechung und Korruption genießen eine hohe und
sich immer noch steigernde Prominenz. Im Rahmen der
massenmedialen Berichterstattung und Dokumentation
überwiegen dabei stark wertende und moralisierende
Beschreibungen und selbst ein Großteil der wissenschaftlichen
Arbeiten kann sich, wie sonst bei keinem
anderen Thema, dem Bekenntnis zur Gegnerschaft und
der Artikulation von Kampfbereitschaft nicht entziehen.
Aber warum ist das so? Verbirgt die verbale Hochrüstung
möglicherweise weitreichende, aber unangenehme
Erkenntnispotenziale?
Dieses Buch lädt zu einem spannenden Gang durch die
Geschichte ein. An Hand aussagekräftiger Beispiele von
den kultischen Stadtgesellschaften Mesopotamiens über
das Mittelalter bis hin zur Moderne, beschreibt Uli Reiter
Vorformen, Funktion und Evolution von Bestechung
und Korruption – und ermöglicht eine überraschend
neue Sichtweise auf das in der Moderne hoch moralisierte
Thema. Zugleich liefert er schlüssige Erklärungen und
Begründungen dafür, warum diese Problematik so heftig
mit Moral überzogen wird, indem er die gewöhnungsbedürftige
Frage stellt, ob Bestechung und Korruption
nur Probleme erzeugen oder ob sie nicht vielmehr selbst
als eigenes, aber subversives Sinnangebot zur Lösung
anderer gesellschaftlicher Probleme verstanden werden
sollten. Skandalisierung und Moralisierung hätten dann
die Funktion, die Sicht auf diese Probleme und ihre Lösungen
zu versperren.
Ausgehend von persönlichen Erlebnissen, von selbst
recherchierten Schilderungen aus dem Alltag von Bestechung
und Korruption in Osteruropa, aber genauso
unter Einbeziehung literarischer und wissenschaftlicher
Texte nähert sich der Autor Schritt für Schritt der Thematik.
Sein eigener Verstehensprozess, an dem sich das
Buch wie an einem roten Faden entfaltet, orientiert sich
an der kontinuierlich mitgeführten Frage, was beobachtbar
wird, wenn das Thema von seiner moralischen
Verhaftung entbunden wird. Eine Vielzahl von Beispielen
und Textanalysen begleitet und unterstützt die Leser bei
der Aufspürung und Mitverfolgung der evolutionären
Entstehungsspuren und bei der Identifizierung von Vorformen
und funktionalen Äquivalenten von Bestechung
und Korruption.
Die beiden Begriffe erfahren eine klare Konturierung
und eine Einbettung in den Bedeutungskontext von Kriminalität
und Illegalität. Bestechung wird als ein Medium
zur vertraulichen Übertragung von Knappheiten und
Korruption identifiziert, als eine eigene Verfahrensweise,
die bestehende Verfahrensweisen heimlich der Verhandlung
aussetzt. Solange Bestechung nicht verboten ist,
können mit ihrer Hilfe in den moralisch negativ belegten
Grauzonen der Gesellschaft neue Strukturen und Medien,
wie beispielsweise das Geld oder auch die uns wohl
vertraute ›Miete‹ oder ›Miet- und Lohnarbeit‹, evolutionär
erprobt und verworfen werden, oder sie können sich
als neue Potenziale konsolidieren – bis sie schließlich als
Innovationen rechtlich und politisch legitimiert werden.
Sobald jedoch Bestechung verboten wird und gleichzeitig
die Probleme bestehen bleiben, an denen sie sich
entzündet hatte, kommt es zur Verschränkung von
Bestechung und Erpressung und in Folge davon zur Erzeugung
und Selbststabilisierung korrupter Strukturen.
Während Bestechung Knappheitsprobleme durch die
Prüfung und den Vollzug der Übertragung von Knappheiten
löst, also der Gesellschaft neue Formen der Übertragbarkeit
von Knappheiten zur Verfügung stellt, muss
Korruption, sobald Bestechung verboten wird, die Frage
der Rechtmäßigkeit berücksichtigen: die Vertraulichkeit
der Bestechung weicht der Heimlichkeit der Korruption,
deren Problemlösung dann darin besteht, dass sie durch
die 'Verhandlung des Verfahrens' rechtmäßige Entscheidungen
und unrechtmäßige Ergebnisse verschränkt und
auf diese Weise der Gesellschaft Vereinbarkeiten von
ansonsten Unvereinbarem zur Verfügung stellt.
Das Buch bearbeitet mit systemtheoretischen Mitteln
ein Thema, das bislang auch von der Systemtheorie
vernachlässigt wurde. Und das auf spannende und gut
nachvollziehbare Art und Weise, so dass die 'Lärmenden
Geschenke' sich nicht nur an ein Fachpublikum, sondern
auch an eine allgemeine Leserschaft wenden.
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