Legislativer Konflikt in den deutschen Ländern
Eine empirische Studie zur Bildung von Gesetzgebungsmehrheiten zwischen Programmatik, Wettbewerb und Mehrebenensystem
Produktform: Buch / Einband - flex.(Paperback)
Gesetzgebungsmehrheiten in parlamentarischen Systemen mit ihrem Dualismus aus Regierungslager und Oppositionsparteien bilden sich nicht frei. Vielmehr findet ihre Koordination in einem Spannungsfeld aus den programmatischen Positionen der Akteure und ihrem opportunistischen Wettbewerb untereinander statt. Diese Problematik bricht die Arbeit auf drei konkrete Fragestellungen herunter, im Rahmen derer sie die Konfliktmuster zwischen Akteuren bei der legislativen Mehrheitskoordination unter Mehrheitsregierungen in den deutschen Landesparlamenten untersucht: 1) Inwieweit hängt es von programmatischen Positionen oder vom opportunistischen Wettbewerb des Neuen Dualismus zwischen Regierungslager und Oppositionsparteien ab, ob Oppositionsparteien und Regierungslager bei der Bildung von Gesetzgebungsmehrheiten kooperieren oder konfligieren? 2) Inwieweit kommt es vor dem Hintergrund unterschiedlicher programmatischer Positionen und opportunistischer Überlegungen zu Konflikt statt Kooperation zwischen Koalitionsakteuren bei der Bildung gemeinsamer Gesetzgebungsmehrheiten? Letztere Fragestellung wird sodann auch in den Kontext des bundesrepublikanischen Kooperativföderalismus eingebettet: 3) Inwieweit geht die Bildung von Gesetzgebungsmehrheiten bei der Ausführung von Bundesgesetzen in Mischkoalitionen (bestehend aus Parteien, die sich auf Bundesebene in konkurrierenden Lagern gegenüberstehen) mit mehr Konflikt einher als in ebenenübergreifend kongruenten Regierungskoalitionen? Theoretisch wird ein rationalistisches Modell der grundlegenden Handlungsanreize bei der Bildung von Gesetzgebungsmehrheiten in den deutschen Landesparlamenten erarbeitet. Auf dieser Basis beschäftigt sich die Arbeit damit, wie die Akteure strategisch programmatische und opportunistische Anreize zu Konflikt und Kooperation abwägen. Die Arbeit leitet dann konkrete Determinanten ab, die vorwiegend – aber nicht nur – mittels quantitativer Methoden getestet werden. Die Arbeit stützt sich dabei auf eine größtenteils neu zusammengestellte Gesetzgebungsdatenbank aus 3.359 Gesetzgebungsvorgängen aus 23 Legislaturperioden zwischen 1990 und 2013 in den Ländern Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt. Die Analyse der Konfliktmuster zwischen Oppositionsparteien und Regierungslager zeigt, dass programmatische Distanz einer Oppositionspartei zum Regierungslager für Oppositionsverhalten eine Rolle spielt;dies gilt jedoch auch für opportunistische Aspekte (so lässt sich beispielsweise ein kompetitiveres Oppositionsverhalten beobachten, wenn nach der letzten Wahl ein vollständiger Regierungswechsel erfolgte). Oppositionsverhalten erscheint dabei recht kleinteilig ausgeprägt. Neben Unterschieden zwischen Legislaturperioden treten solche auch innerhalb von Legislaturperioden zwischen Akteuren sowie zwischen Gesetzentwürfen auf. Die Analyse generellen Koalitionskonflikts weist darauf hin, dass ein nicht unerheblicher Teil von Koalitionskonflikt strukturell bedingt ist. Handelt es sich bei einer gebildeten Regierungskoalition um die Wunschkoalition der beteiligten Parteien, so ist dies Koalitionskonflikt abträglich. Selbiges gilt für eine größere Mehrheitsmarge des Regierungslagers. Darüber hinaus ergeben sich Hinweise, dass die Ausführung von Bundesgesetzen unter Mischkoalitionen bei bundespolitischer Abgrenzung der Koalitionspartner mit mehr Koalitionskonflikt einhergeht als eine Ausführung unter kongruenten Koalitionen. Der Beitrag der Arbeit ist polymorph angelegt. Sie hilft zunächst, die Strategien von Akteuren im Gesetzgebungsprozess besser zu verstehen. Als normativer Beitrag tritt auf einer zweiten Ebene die bessere Erforschung etwaiger nachteiliger Effekte des Neuen Dualismus unter Mehrheitsregierungen hinzu. Gleichzeitig soll die Arbeit drittens in der Zusammenschau helfen, die Mechanik der parlamentarischen Systeme in den Ländern selbst zu erhellen und besser normativ bewerten zu können. Hintergrund sind hier die jahrzehntealten Debatten um das beste Regierungssystem und -format der deutschen Länder als subnationale Entitäten. Die dritte Fragestellung dieser Arbeit konnte diese Debatte zudem mit einem neuen Aspekt bereichern. Wissen darüber, inwieweit die Ausführung von Bundesgesetzen in den Ländern je nach ebenenübergreifendem Koalitionsmuster in unterschiedlichem Ausmaß mit einem ‚coalition governance‘-Problem verbunden ist, fügt der Forschung zum föderalen Entscheiden in der Bundesrepublik eine neue und beachtenswerte Facette hinzu. Denn dabei handelt es sich um eine föderal bedingte mechanische Beeinträchtigung der Mehrheitskoordination in den Landesparlamenten selbst, die die potenziell gegebene föderale Flexibilität bei der Ausführung von Bundesgesetzen hemmt. Dies ebnet den Weg zu neuen Debatten darüber, wie in den deutschen Ländern mehr legislative Abstimmungsflexibilität ermöglicht werden kann als unter den bisher üblichen Mehrheits-Koalitionsregierungen.weiterlesen
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