Seit Beginn des 20. Jhs wird Leibniz' (1646-1716) Philosophie unter verschiedenen Aspekten erforscht und diskutiert. Daß sein neues System der prästabilierten Harmonie für wesentliche Fragen und Probleme der interkulturellen Philosophie eine theoretische Grundlage darbietet, steht heute außer Frage. Obwohl die globale Vernetzung der Erdbevölkerung gegenwärtig immer enger und lückenloser zu werden scheint, steht der interkulturelle Dialog noch aus.
Demgegenüber erscheint die physische und historische Existenz der Monade in ihrer Verknüpfung mit allen anderen, in ihrem Eingehen in Beziehungen, "die alle anderen Beziehungen ausdrücken", als eine Harmonie von größter Mannigfaltigkeit und Ordnung. Leibniz' neues System ist die hypothetische Antwort auf zwei drängende Fragen des Kartesianismus: das Leib-Seele-Problem und den historischen Pyrrhonismus, der angesichts neu entdeckter Kulturen und insbesondere des chinesischen Altertums die in der Bibel offenbarte Universalgeschichte der Menschheit in Frage stellte. Welche Bedeutung Leibniz' Antworten und welch erhellende und orientierende Funktion sein Neues System ›interkulturell gelesen‹ für die Fragen des 21. Jhs besitzen, wird im folgenden dargelegt.
Zur Autorin:
Rita Widmaier, geb. 1942 in Königsberg; Studium der Philosophie, Sinologie und Geschichte in Düsseldorf und Köln. 1982 Promotion (Die Rolle der chinesischen Schrift in Leibniz' Zeichentheorie). Seit 1993 Mitarbeiterin an der Leibniz-Akademieausgabe (Leibniz-Archiv Hannover); Hrsg. von Leibniz korrespondiert mit China, 1990 (Neuaufl. Ende 2005); Aufsätze zum Thema Leibniz und China.weiterlesen