Medeia, sanfte Mutter des Todes
Eine filmanalytische Studie zu Pier Paolo Pasolinis »Medea«
Produktform: Buch / Einband - fest (Hardcover)
Unter den wenigen Filmen, die die Figur der Medea – seit Euripides ein Monument und Skandalon der europäischen Kulturgeschichte – ins Zentrum stellen, ist Pier Paolo Pasolinis filmische Mythographie MEDEA (1969) mit Maria Callas, ihrerseits bereits ein ›Mythos‹, nach Anspruch und Durchführung einzigartig – bis heute zugleich faszinierend und enigmatisch.
Pasolini überschreibt darin den traditionellen Mythenstoff radikal, indem er – gewissermaßen ›archäologisch‹ – dessen zivilisationsgeschichtliche, kunsthistorische und psychoanalytische Tiefenschichten mit filmischen Mitteln freilegt und zugleich ein anderes, irritierendes Medea-Bild entwirft. Statt der rasenden, grausam mordenden Frau (durch zahllose Werke in unser kulturelles Gedächtnis eingeschrieben) inszeniert er das Gegenbild: Medea als »sanfte Mutter des Todes«.
Aus seiner tiefen Sehnsucht nach Einheit und Schönheit heraus sucht Pasolini unermüdlich nach Spuren und Mustern der Tradition, erschüttert vom historischen Verlust und von der Zerrissenheit der Moderne. Seine Diegese eines filmischen musée imaginaire ist als künstlerischer Einspruch gegen diesen Verfall, als ein »Dennoch« zu verstehen.
Die Untersuchung von Ursula Bessen will diese Idee und die ästhetischen Verfahren zunächst auf dem Wege eines filmanalytischen »close reading«, in der genauen Analyse von Einzelbildern, Einstellungen, Sequenzen und Werkabschnitten offenlegen. Dabei wird an vielen Stellen, in Motivwiederolungen und Bildzitaten, Pasolinis enge Beziehung zur bildenden Kunst, besonders zur Malerei und ihren Ursprüngen im Mythos und frühen Kultus deutlich.
Die mythologische Schicht öffnet ihrerseits den Blick auf die tiefenpsychologische Kohärenz der ästhetischen Bildwelt, der kunsthistorischen Bezüge und der mythologischen Grundierung. Hier sind für Pasolini, den »begeisterten Leser C. G. Jungs« dessen »Vor-Bilder« von größter Bedeutung – nicht zur Nachahmung, sondern als Reservoir und Quelle seiner künstlerischen Inspiration. Diesen Zusammenhang, wie auch weitere Bezüge auf zentrale Mythologeme der »Jung’schen Schule« (Erich Neumann, Karl Kerényi), freizulegen, dürfte die wichtigste neue Erkenntnis der vorliegenden Arbeit sein.
Ursula Bessen hat Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft in Essen, Bochum und Paris studiert, Filmwissenschaft an der Universität Essen gelehrt, war vielfältig in der freien Filmarbeit tätig und hat mehrere einschlägige Arbeiten publiziert.weiterlesen
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