Schmuel HaNagid, der mit ›bürgerlichem‹ Namen Schmuel ben Levi, auf arabisch Ismail ibn Nagrela hieß, wurde 993 in Córdoba, im muslimischen Anda-lusien, geboren. Er war Großwesir des Königreichs von Granada und einer der bedeutendsten jüdischen Dichter des mittelalterlichen Spaniens, gehört zu den ersten jüdischen Dichtern in Andalusien, die – bildlich gesprochen – den Raum der Synagoge verließen und nicht nur geistliche Lieder und Gedichte verfassten, sondern weltliche Themen in ihr Schaffen einbezogen. Schmuel HaNagid starb 1056 in Granada.
Die Rechtfertigung des eigenen Dichtens begründet Schmuel HaNagid mit dem Hinweis auf seine Abstammung von den Leviten, den Nachkommen eines der zwölf Söhne des biblischen Jakobs. Im alten Gottesdienst Israels stellten die Leviten die Sänger und Musiker. »David meiner Zeit bin ich«, schreibt er selbstbewusst und macht sich so auch zum Nachfahren des halbmythischen biblischen Königs, dem viele Psalmen zugeschrieben werden.
Am stärksten entziehen sich die Weinlieder und Liebesgedichte einer biographischen Zuordnung. Vor allem die Liebesgedichte handeln das Thema der Anziehung und Abstoßung, der Sehnsucht und Eifersucht vielfach in den von arabischen Mustern angeregten Bildern und Kampf-Metaphern ab. Dieser literarischen Konvention folgend, richten sie sich meist an ein männliches Gegenüber, auch wenn eine Frau gemeint ist.weiterlesen