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Metakognitiv-diskursive Unterrichtsqualität. Eine Handreichung zu deren Analyse und Einschätzung in den Fächern Geschichte, Mathematik und Religion

Produktform: Buch / Einband - fest (Hardcover)

Vorwort Die vorliegende Publikation ist entstanden im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eförderten Projektes Entwicklung eines schulfachübergreifenden Instruments zur videobasierten Klassifikation metakognitiv-diskursiver Unterrichtsqualität am Beispiel der Fächer Geschichte, Mathematik, Religion. Ein Ziel des Projektes war die Entwicklung und Evaluation eines fachübergreifend anwendbaren Ratinginstruments zur Einschätzung metakognitiv-diskursiver Unterrichtsqualität. Der Motivation für die Entwicklung des Ratingsystems lagen zugrunde zum einen die aus der Forschung bekannten Hinweise darauf, dass Metakognition ein Qualitätsmerkmal wirksamen Unterrichts ist, und zum anderen die auf jahrelangen empirischen Beobachtungen basierende Erkenntnis, dass mit metakognitiven und diskursiven Aktivitäten fachübergreifend ein gemeinsamer Kern erwünschten intellektuellen Verhaltens im Unterricht unterschiedlicher Schulfächer beschrieben werden kann. Sowohl theoretisch wie auch empirisch fundierte Argumente sprechen dafür, Metakognition als eine Einflussvariable in Bezug auf Lerneffekte zu betrachten. Meines Wissens gab es aber bisher kein Instrument, welches bei der Beurteilung von Unterrichtqualität metakognitive Aktivitäten der Lernenden und der Lehrkraft in den Blick nimmt, um ihr Potenzial für die Förderung von wirksamen Lernprozessen im Fachunterricht mehrdimensional zu beurteilen (d. h. deren Ausprägung auf mehreren Skalen einzuschätzen). Eine Besonderheit des im Rahmen des DFG-Projektes entwickelten Ratingverfahrens ist dessen Zweistufigkeit: • Im ersten Schritt werden von einer beurteilenden Person (einem Rater oder einer Raterin) in einem videobasierten Verfahren alle Schüler- und Lehrerbeiträge aus einer Unterrichtssequenz lokal bezüglich des Auftretens metakognitiver und diskursiver bzw. negativ diskursiver Aktivitäten klassifiziert. Dazu steht der Raterin / dem Rater ein komplexes Kategoriensystem zur Verfügung. • Im zweiten Schritt wird von derselben beurteilenden Person die metakognitiv-diskursive Qualität der gesamten klassifizierten Unterrichtssequenz global, mehrdimensional, mit Hilfe des neu entwickelten Ratinginstruments beurteilt. Das Ratinginstrument besteht aus sieben Leitfragen und den dazugehörigen Antwortkategorien. Der erste Schritt des Ratingverfahrens soll insofern zur intendierten Genauigkeit der globalen Beurteilung einer Unterrichtsszene beitragen, als dass die Raterin oder der Rater sich lokal bei jedem Sprechbeitrag mit der Wahl einer Kategorie für metakognitive und eventuell auch diskursive bzw. negativ diskursive Aktivitäten festlegen muss und diese Wahl von denkbaren alternativen Kategorien abgrenzen muss. Die breite Auswahl veranlasst die beurteilende Person dazu, sich eine genaue Interpretation jedes Sprechbeitrags zurechtzulegen und eine lokale Einschätzung der Präzision des Beitrags und dessen Passung zu dem bereits Gesagten im Klassengespräch vorzunehmen. Bei der anschließenden Beantwortung der sieben Leitfragen im zweiten Schritt, wird die beurteilende Person hingegen dazu veranlasst, die lokal klassifizierten Aktivitäten im Hinblick auf die Lernwirksamkeit der gesamten Unterrichtsszene global einzuschätzen. Schon beim Lesen der Antwortkategorien zu jeder Leitfrage kann diese Person – aufgrund des Gesamteindrucks der zuvor lokal klassifizierten Unterrichtsszene – eine Antwort als besonders zutreffend in Betracht ziehen. Die zunächst gewählte Antwort ist dann aber noch vor dem Hintergrund der lokal klassifizierten Aktivitäten und der in der Antwort genannten vielschichtigen Aspekte zu betrachten und eventuell zu ändern. Die Urteilsfindung ist ein komplexer Prozess. Die im ersten Schritt erstellte Klassifizierung ist dabei aus bestimmten Perspektiven zu deuten. Auch im zweiten Schritt ist die Entscheidung der beurteilenden Person – d. h. die zu jeder Leitfrage gewählte Antwortkategorie – zu begründen und von anderen Antwortkategorien abzugrenzen. Die zwei Schritte des Ratingverfahrens sind also nicht als zwei voneinander unabhängige und für sich abgeschlossene Arbeitsschritte aufzufassen. Im Gegenteil – schon im ersten Schritt, also bei der Klassifizierung metakognitiver, diskursiver und negativ diskursiver Aktivitäten, sollen von der beurteilenden Person Kommentare bezüglich der Qualität der klassifizierten Aktivitäten verfasst werden. Im zweiten Schritt, also bei der globalen Einschätzung der Unterrichtsszene, werden diese vor dem Hintergrund der sieben Leitfragen im Kontext der gesamten Unterrichtsszene analysiert. Es kann dabei z. B. vorkommen, dass die zunächst einen sehr positiven Eindruck erweckenden zahlreichen metakognitiven Reflexionsaktivitäten mit Begründungen nicht zu einem positiven globalen Urteil über die analysierte Unterrichtsszene führen, weil die meisten Begründungen unpräzise und lückenhaft oder oberflächlich formuliert sind und deshalb keinen Beitrag zur Wirksamkeit der Unterrichtsszene leisten. Die Erfahrung mit der Anwendung des Ratinginstruments hat auch gezeigt, dass gerade im Zusammenwirken beider Schritte des Ratingverfahrens Diskrepanzen zwischen den an der Oberfläche sichtbaren metakognitiven und diskursiven Aktivitäten und der Qualität dieser Aktivitäten (z. B. in Form von „Spielen“ von Monitoring und Reflexion ohne tiefer gehendes Ringen um Verstehen) aufgedeckt und genau beschrieben werden können. Die in dem DFG-Projekt durchgeführte Evaluation des entwickelten Ratinginstruments hat gezeigt, dass dieses zuverlässig einsetzbar ist. Damit ist sowohl die Interrater-Reliabilität (im Sinne der Übereinstimmung der Ratingurteile der voneinander unabhängig ratenden Personen) als auch die Generalisierbarkeit der Ratingurteile über die Unterrichtsstunden einer Lehrkraft in einer Klasse hinweg gemeint. Es konnte u. a. gezeigt werden, dass die Unterschiede in den Urteilen der ratenden Personen fast vernachlässigbar sind. Damit ist eine wichtige Voraussetzung für die Zuverlässigkeit des Ratinginstruments erfüllt worden. Ein wesentlicher Grund des Zustandekommens des sehr guten Ergebnisses wird u. a. in dem zuvor geschilderten intensiven Prozess der Verzahnung der beiden Schritte vermutet. Das entwickelte Ratinginstrument und die theoretischen Überlegungen zur Konzeption des Instruments sind detailliert in Nowinska (2016, Leitfragen zur Analyse und Beurteilung metakognitiv-diskursiver Unterrichtsqualität) vorgestellt. Die vorliegende Publikation ist in zweierlei Hinsicht als eine Ergänzung zu dieser Veröffentlichung konzipiert worden. Erstens beziehen sich die meisten dort ausgeführten Überlegungen zur Präzisierung und exemplarischen Anwendung des Ratingsystems auf das Fach Mathematik. Im Unterschied dazu stellt die vorliegende Arbeit zahlreiche Beispiele aus drei Fächern bereit (Geschichte, Mathematik und Religion). Mit „Beispielen“ sind hier Transkripte zu konkreten Unterrichtsszenen und deren ausführliche Analyse und Auswertung auf der Basis des entwickelten Ratingsystems gemeint. Mit den Beispielen wird der ganze komplexe Prozess der Analyse und Beurteilung von Unterricht offengelegt. Darüber hinaus wird aus dem Anlass der Einbeziehung der Beispiele aus verschiedenen Fächern erklärt, wie das fachunspezifisch formulierte und fachübergreifend anwendbare Kategoriensystem sowie Ratinginstrument in einer konkreten Anwendung auf einen Fachunterricht fachspezifische Aspekte der zu beurteilenden Unterrichtsszene in die Analyse und Beurteilung mit einbezieht. Zweitens steht im Zentrum der Arbeit von Nowinska (2016) die Vorstellung der sieben Leitfragen zur Beurteilung metakognitiv-diskursiver Unterrichtsqualität. Die Vorstellung des Kategoriensystems zur Klassifizierung metakognitiver, diskursiver und negativ diskursiver Aktivitäten gerät dort in den Hintergrund. Die vorliegende Arbeit nimmt hingegen das Kategoriensystem in den Blick und präzisiert – anhand zahlreicher Beispiele von Schüler- und Lehreraktivitäten aus den Fächern Geschichte, Mathematik und Religion – die Bedeutung der einzelnen Kategorien. Durch das Bereitstellen einer Auswahl von Transkripten zu den Unterrichtsfächern Geschichte, Mathematik und Religion ermöglicht diese Publikation eine intensive Auseinandersetzung mit der Analyse von exemplarischen Unterrichtsstunden, auch unter verschiedenen fachdidaktischen Aspekten. Durch den Stil, dass gefällte Urteile ausführlich begründet und gegen potenzielle Alternativen abgewogen werden, ist die vorliegende Arbeit auch als ein Lehrbuch gedacht, um Ausbildenden und Auszubildenden in allen drei Phasen der Lehrerausbildung Material für eine vielschichtige Analyse von Tiefenstrukturen des Fachunterrichts zu ermöglichen. Die Arbeit ist insbesondere Lehramtsstudierenden zu empfehlen, weil eine theoriegeleitete Unterrichtsanalyse die Möglichkeit bietet, die in einer Unterrichtsszene ablaufenden Prozesse in ihrer Vielfalt zu betrachten und eine Sensibilisierung für diese Prozesse in eigener Unterrichtspraxis zu entwickeln. Die intendierte Sensibilisierung betrifft in besonderem Ausmaß das Ineinandergreifen von fachspezifischen und fachunspezifischen Aspekten der Unterrichtsqualität. Sie ist nicht nur eine wichtige Voraussetzung für eine genaue Erforschung von Unterrichtsprozessen, sondern auch für deren wirksame Gestaltung.weiterlesen

Dieser Artikel gehört zu den folgenden Serien

Sprache(n): Deutsch

ISBN: 978-3-925386-87-9 / 978-3925386879 / 9783925386879

Verlag: Forschungsinst. f. Mathematikdid.

Erscheinungsdatum: 30.11.2018

Seiten: 302

Herausgegeben von Edyta Nowińska

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