Die Wirtschaftswissenschaft durchlebt schwere Zeiten: Sie hat die Weltfinanzkrise nicht kommen sehen und die darauffolgende Eurokrise mit ihrem wirtschaftspolitischen Ratschlag vielleicht sogar noch vertieft. In Deutschland hat die Öffentlichkeit erlebt, wie die Ökonomen fast einmütig die Einführung des Mindestlohns ablehnten, weil sie einen massiven Beschäftigungsverlust erwarteten – und es kam ganz anders.
Das vorliegende Jahrbuch will sich am Beispiel dieser scheinbaren Falsifikation des tradierten Arbeitsmarktmodells angesichts der mangelnden empirischen Belege für die prognostizierten Beschäftigungsverluste des 2015 eingeführten Mindestlohns mit der Arbeitsweise der ökonomischen Forschergemeinschaft befassen, um Resilienzbestrebungen und Neuerungsversuche in einem wissenschaftlichen Machtfeld besser zu verstehen: Szenen einer Wissenschaft. Die Leitfragen dieses Bandes des Jahrbuchs lauten deshalb: Sind die Ergebnisse der Einführung eines flächendeckenden, bindenden Mindestlohns in Deutschland mit der traditionellen Arbeitsmarkttheorie vereinbar? Welche Konsequenzen für die wissenschaftliche Untersuchung des Arbeitsmarktes, aber auch für die wissenschaftliche Beratung der Politik müssen aus den gewonnenen Erkenntnissen gezogen werden?weiterlesen