Gedichte und Bilder. Aus englischen Fassungen ins Deutsche übertragen und mit einem Nachwort versehen von Jürgen Jankofsky.
Produktform: Buch
Ein kleines Nachwort
Seit 1989 erscheint Lyrik des mongolischen Dichters Hadaa Sendoo, seit kurzem auch in deutscher Übersetzung: 2017: „Wenn ich sterbe, werde ich träumen…“, Ostasienverlag, Reihe Phönixfeder, Gossenberg; 2018: Sich zuhause fühlen“, POP Verlag, Ludwigsburg. Und nun, 2019, also, wiederum im POP Verlag der hier vorliegende Band.
Seine Gedichte wirken wie Mosaiksteinchen seiner abenteuerlichen Biografie: Geboren 1961 in China, in der Inneren Mongolei, als Sohn eines Theaterdirektors und einer Schauspielerin und wuchs in Hohhot auf. Während der Kulturrevolution wurde er vier 4 Jahre zu Nomaden aufs Land verschickt, ins Gebiet Shiiliigool, woher sein Vater stammte. 1984 kehrte er nach Hohhot zurück und beendete die obere Mittelschule, studierte dann hier an der Kunsthochschule. 1991 übersiedelte er in die Mongolei, nach Ulaanbaatar, heiratete und wirkt als Literaturprofessor. 2006 initiierte er den „World Poetry Almanac“, ein internationales Poesie-Jahrbuch in Zentralasien und schloss sich 2011 dem „World Poetry Movement“ an. Er nahm an internationalen Literaturfestivals teil und wurde mehrfach geehrt.
Dieses Gedicht schrieb Hadaa Sendoo am 21. März 2019, dem Welttag der Poesie:
Ein Gedicht für eine Welt ohne Mauern
Diesen Frühling muss ich ein neues Gedicht machen.
Lieber hätte ich Herzen ohne solchen Hass
Länder ohne jede Mauern.
Meine Reise benötigt keinen Pass.
Dann kehre ich zur ersten Liebe der Menschheit zurück.
Ich erinnere mich noch eines alten Liedes
Bevor ein neuer Präsident gewählt wurde.
Die sternenklare Nacht von Ulaanbaatar
So blau.
Und es mag in diesem Band als typisch dafür stehen, dass sich dieser große mongolische Dichter neben seinen „klassischen“ Themen, die vor allem im Schmerz über das Vergehen der nomadischen Kulturen seiner Heimat wurzeln, zunehmend auch globalen Ansätzen zuwendet – wobei ihm stets klar scheint, dass es hierbei dialektische Zusammenhänge gibt, er dies meisterlich mit verarbeitet.
Dr. Antonio Cuadrado-Fernandez sprach in einem Essay über eine „andere Art von Realität“ Hadaa Sendoos, „die nicht von einer blinden Besessenheit von kaltem Messen, Rechnen und der Veredelung von allem unter der Sonne beherrscht wird. Wir finden vielmehr eine Art von Rationalismus, der auf Zirkularität, Erneuerung, Kooperation, Gegenseitigkeit und Mitgefühl beruht und vom zivilisatorischen Epizentrum der Jurte ausgeht.“
Wenn
Wenn Dahinschwinden
Der Ruf des Universums ist
Wie ein Meteor in der Nacht
Wie eine blaue Wolke
Wenn Zurückkommen
Der Ruf des ewigen Himmels ist
Wie ein wildes mongolisches Pferd
Und des Habichts
Wenn meine Gedichte
Den Winter des Jahrhunderts wärmen
Ja, tief in mir
Brennt das Freudenfeuer der dunklen Nacht
Wenn ein Augenblick
Ewig ist
Und die Rückkehr
Der Ruf der Sonne.
Paul Scott Derrick sagte zur Lyrik Haada Sendoos: „Er sticht seine Feder in die Dunkelheit, um zu klagen und sowohl sein eigenes verschwindendes Leben als auch eine verschwundene Kultur zu feiern, die nur in Worten gefangen werden kann. Er ist eine Nomadenseele, die zu Pferd durch die Weiten der Zeit reitet. Er sieht seine Gedichte als ein Pferd aus Worten, das ihn durch die Welt und in die kommenden Zeiten tragen wird.“
Nicht zuletzt angesichts zunehmend hilfloseren Agierens von Politikern weltweit zur Lösung immer bedrohlicher werdenden globaler Probleme, erscheinen Hadaa Sendoos Texte als leise, doch höchstwichtige Ermutigung.
Jürgen Jankofsky, Leuna im September 2019weiterlesen