Mono
Eine Monographie in 20 Heften von Haus am Gern. Deutsche und englische Ausgabe
Produktform: Buch / Geheftet
Wo ist eigentlich das Haus amGern?'Haus amGern' ist ein 'Unternehmen nach den Regeln der Kunst', betrieben vomBieler Ku¨nstlerpaar Barbara Meyer Cesta und RudolfSteiner. Die 'Produkte' sind jetzt in einer 'Mono'dokumentiert.ANNELISE ZWEZWo eigentlich das 'Haus amGern' liege, werde er oft gefragt,schreibt Lokal-Int.-Betreiber ChriFrautschi in einem der 20 EinzelhefteinderMonografie zudenAktivitätenvon BarbaraMeyer Cesta undRudolf Steiner alias 'Haus am Gern'. Kein Problem: 'Du gehsterst mal links, der Provokationslinie entlang. beim fallendenRössli biegst du ab Richtung FremderSender. nach ca. 475 Metern hörst du die Hasenglocke. bleib auf dem Hauptweg, denn beim streikenden Museum hängen die Young Responsible Artists rum.'. Schliesslich: 'Von dort aus kannstdu es sehen: gleich neben dem Turm von Mu¨nchhausen'.Das ist eine im Tonfall träfe Beschreibung der im Heft 'Projekte 1998–2010' aufgelisteten rund 50meist interaktiven Aktionen des seit gut zehn Jahren in Biel lebenden Ku¨nstlerpaars. Was die Ideenvon Haus am Gern von anderen ku¨nstlerischen Interaktions-Projekten unterscheide, so ThomasSchönberger am ersten 'Mono'-Gespräch an der Universität Bern am 15. Dezember 2010, sei das Zielpublikum der Interaktivität.Die nun als Fu¨lle fassbaren Projekte hätten selten das Publikum im Visier. Sie integrierten vielmehrdie Vertreter derÖffentlichkeit, der Behörden, die Akteure des Kunstbetriebs, auch Handwerkerund Kunstschaffende. Damit wies Schönberger auf den politischen Impakt, der bei aller Ironieund aller subversiven Infiltration den Stachel der Kunst von Haus am Gern ausmacht. Dabeikann es um 'alte Schinken' im Kunstmuseum Bern gehen, um ein (aus finanziellen Gru¨nden)'streikendes' Museum (das PasquArt), um das Geru¨cht eines vom Himmel auf einen Traktorfallenden toten Pferdes (Rapperswil) oder um ein Bundesratsfoto mit Immigranten-Kindern.25-teiliger SchuberHaus am Gern schafft selten Kunstwerke im engeren Sinn; als Firma initiieren Steiner/MeyerCesta Projekte oder lassen Kunstwerke vonDritten anfertigen.Die köstlichen 'Tintin'-Zeichnungen'l’art n’a pas d’idée, elle est l’idée' (K. Fiedler, 1841–1895), die in alle Monografie-Hefte integriert sind,bilden zusammen mit der Zeichnungsserie 'Show us Buy us Sell us' (2009) eher die Ausnahme.Das hatte bisher zur Folge, dass die Substanz des Werkes fu¨r ein grösseres Publikum nur schwerfassbar war (ausserman habe sich Punkt fu¨r Punkt durch dieWebsite geklickt). So war es ein guter Entscheid der kantonalbernischen Kunstkommission, Haus amGern im alle zwei Jahre durchgefu¨hrtenWettbewerb um einen Publikations-Beitrag zu beru¨cksichtigen.Dankweiterer Sponsoren (darunter die Stadt Biel) ist nun der ebenso originelle wie informative 25-teilige Schuber mit Einzelheften zu wichtigen Projekten erschienen. Morgen findet nach Zu¨richund Bern die Bieler Buch- Vernissage im Lokal-Int. statt.Sinnvoll ist die Monografie auch deshalb, weil sie das Ku¨nstlerduo zwang, alle relevanten Bilder, Dokumente, Texte zusammenzutragen und so in eine gu¨ltige Form der Dokumentation zubringen. Der Aufwand dafu¨r brachte Barbara Meyer Cesta in den letzten Monaten an den Rand der Verzweiflung. Doch es hat sich gelohnt! Neu lebendig wird nun zum Beispiel die in einen ku¨nstlerischen Kommentar von Haus am Gern umgeformte Ru¨ckfu¨hrung eines einst von den Béliers gestohlenen Zahnrades. Ein 'Fall', der im Jura 2007 dank Haus am Gern 'heisse' Diskussionen auslöste und erst ku¨rzlich mit einer 'Gedenktafel' endete. Das gilt auch fu¨r 'Fallada', bei demHaus amGern 2005 die 'urban legend' eines vom Himmel fallenden toten Tieres in den Landwirtschafts-Kontext u¨bersetzteund dabei die Fähigkeit der Pferde-Liebhaber Ironie und Realität zu unterscheiden, kapital u¨berschätzte und in einen Strudel privater und behördlicher Entru¨stung geriet (das BT berichtete).Rechnung fu¨r GedankenAndere Projekte kommen mit kleinerenHeften aus, so zumBeispieldie 2001 vomAtelier Robertin Biel ausgehende Aktion 'Faktura', als Haus am Gern zusammen mit ihrem 'Art Inspector' Peter Vittali anHarald Szeemann und andere Persönlichkeiten Rechnungen verschickte fu¨r die Zeit, welche sie an sie gedacht hätten; im Fall von Szeemann 13,2 Minuten à 3.50 Franken, somit 46.20 Franken.Was zu einem Fax aus Tegna fu¨hrte, in dem Szeemann schrieb: 'Bitte nicht zu viel denken!'. Nicht alle verstanden freilich den Humor des Unterfangens.Obwohl dieMonografie imHeft 'Index' einige u¨bergreifende Beschreibungen respektiveeinInterview enthält, fehlt ihr ein Haupttext, der das Schaffen von Haus am Gern in einen internationalen Kontext zeitgenössischer Kunst stellen wu¨rde. Auch wäre ein Verweis darauf, dass die beiden Kunstschaffenden auch einzeln imKunstbetrieb auftauchen – Rudolf Steiner zum Beispiel mit seinen 'Shooting'-Arbeiten,Barbara Meyer mit ihrem in Ägypten gedrehtenVideo 'Eat at Joes' – sinnvoll gewesen. Schade auch, dass die Romands sprachlich gänzlich ausgeschlossen sind. Dennoch istes – wie einst beim Duo Hauser/Chiarenza (Relax) – fu¨r Biel zweifellos ein Gewinn, dass die 'Firma' ihren Sitz im Pasquart-Annexbau hat und zahlreiche AktionenBiel respektive das Seeland als Hintergrund haben.Annelise Zwez, Bieler Tagblattweiterlesen
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