›Musskeeba‹: So bezeichnet man in Mandinka, der verbreitetsten Sprache Gambias, eine nicht mehr junge, reife Frau. Musskeeba nennt man aber auch die erste Frau eines in Polygamie lebenden Mannes. Corinne Banora ist eine Musskeeba. In der Romandie, wo sie lange Zeit lebte, hat sie, eine Schweizerin, Demba, einen aus Gambia stammenden Wirtschaftsflüchtling, geheiratet. Es war eine Liebesheirat. Doch zwei Monate nach ihrer Hochzeit erlebt sie einen Schock. Demba eröffnet ihr, dass er sich später eine zweite Frau nehmen werde, eine Cousine väterlicherseits. Dies wurde bereits vor seiner Emigration aus Gambia mit seinem Vater abgesprochen, der ihm den Segen dazu gab.
Das Thema Polygamie hatte sie bisher kaum beschäftigt, damit hatte sie nicht gerechnet. Corinne Banora begann sich intensiv mit Kultur und Religion ihres Mannes auseinanderzusetzen, trat später sogar zum Islam über. Einige Jahre danach beschloss sie während einer tiefen Lebenskrise, mit ihrer kleinen Tochter nach Gambia zu reisen und Dembas Zweitfrau Awa aufzusuchen. In der Art eines intimen Tagebuches beschreibt sie diesen etwa ein halbes Jahr dauernden Aufenthalt in der afrikanischen Gemeinschaft.
Musskeeba ist eine kritisch beobachtete, kluge Kulturreportage über den Alltag, über die Erlebnisse mit ihrer geliebten Tochter, über Freundschaft, Eifersucht, Aberglauben, afrikanische Lebensfreude, aber auch über Schmutz, Krankheiten, Hinterlist und Missgunst in einem sozialen Biotop ohne Zukunftsperspektive. Sie gibt einen ungemein lebendigen Einblick in diese halb islamisch, halb animistisch geprägte Kultur. Den dramatischen Handlungsfaden liefert die Auseinandersetzung mit der Nebenbuhlerin Awa. Eine vorsichtig zurückhaltende Freundschaft wandelt sich zum konfliktgeladenen Nebeneinander und schliesslich zur offenen Feindschaft. Ihre Erlebnisse veranlassen die Autorin immer wieder zu Reflexionen über die afrikanisch-islamische Kultur und die Lage der Frauen in den Ländern Westafrikas. Sie spricht aber auch zu all den Frauen, die sich als ›westliche Opfer‹ der Polygamie in ähnlicher Lage wie sie selbst befinden.
Ihre Begegnung mit der fremden Kultur hat Corinne Banora manche Illusionen genommen, aber zugleich ihr Verständnis und ihre Liebe für die Menschen Westafrikas stärker und reifer gemacht.weiterlesen