Operntheater in der DDR
Zwischen neuer Ästhetik und politischen Dogmen
Produktform: Buch / Einband - fest (Hardcover)
Eine noch ungeschriebene DDR-Kulturgeschichte
In der DDR lernte das Theaterpublikum schnell, zwischen den Zeilen zu lesen und Zwischentöne zu hören – so wie es der Dramatiker Heiner Müller in seinem Libretto zur Oper „Lanzelot“ von Paul Dessau formulierte: „Was man noch nicht sagen kann, kann man vielleicht schon singen.“
In diesem Buch, das eine bislang einmalige, komplexe Aufarbeitung des Themas ist, wird das Operntheater in seiner ganzen Bandbreite in den Blick genommen. Aufführungspraxis, Rezeption, neue Werke, der Umgang mit der klassischen Tradition, theatergeografische Strukturen im kulturpolitischen Raum, Inszenierungsgeschichten, Repertoirepolitik und ästhetische Diskussionen werden in einen Zusammenhang gebracht und gewertet.
Dabei wird deutlich, dass das Operntheater und überhaupt das Kulturleben in der DDR unverwechselbar geprägt wurde: von Schriftstellern und Theaterautoren wie Bertolt Brecht, Friedrich Wolf, Erwin Strittmatter, Christa Wolf oder Brigitte Reimann, von Komponisten wie Hanns Eisler, Paul Dessau oder Udo Zimmermann, von bildenden Künstlern wie Wolfgang Mattheuer, Bernhard Heisig oder Willi Sitte, und natürlich von Regisseuren wie Walter Felsenstein, Harry Kupfer, Ruth Berghaus oder Peter Konwitschny.
von Paul Dessaus „Lukullus“ 1951 bis zum „Fidelio“ in Dresden 1989Aufführungspraxis, Rezeption, Zensur, Repertoire- und Kulturpolitikvon 1945 bis 1990: alle wichtigen Inszenierungen, Regisseure, Dramatikermit umfangreichem Werk- und Personenregister sowie Literaturverzeichnisfür alle Interessierten der DDR-Kulturgeschichte, Studierende der Theater- und Musikwissenschaft sowie Germanistik, Dramaturgen, Regisseure
Oper mit doppeltem Boden
Das Operntheater in der DDR war nicht nur Ort großer inszenatorischer Leistungen, sondern auch repräsentatives Statussymbol. Der neue Staat sah sich als Volksdemokratie, die Theater wurden zu „Volkstheatern“, diese wiederum auch zur Kulisse der sozialistischen Politik. Das Verhältnis zwischen Staat und Opernhäusern in der DDR war nie ein leichtes: Zum Beispiel wurde die Oper „Das Verhör des Lukullus“ von Bertolt Brecht und Paul Dessau an der Staatsoper Berlin aufgrund seiner unerhörten avantgardistischen Ästhetik schnell wieder abgesetzt.
Man versuchte den Einfluss spätbürgerlicher, westlicher Kunst auf die DDR zu verhindern, Künstler hatten kulturpolitischen Dogmen zu folgen. Doch mit der Zeit fand auch eine grundsätzliche kritische Diskussion über Wege und Irrwege zur Kunst im Sozialismus statt – und damit über den Sozialismus selbst.
„Fidelio“ im Stacheldraht
Der Autor spannt den großen Bogen von der Aufbruchstimmung nach 1945, der ästhetischen Neuorientierung in den 1950er-Jahren, dem Weggang vieler Künstler nach dem Mauerbau 1961, der letztlich nur scheinbaren Liberalisierung in den 1970er-Jahren bis zum großen Widerspruch zwischen nach Freiheit strebender Kunst und herrschender Politik.
Die Opernwelt der DDR endete mit einem dramatischen Akt: In einer der letzten Opernaufführungen der untergehenden DDR wurde im „Fidelio“ an der Dresdner Staatsoper der 40. Jahrestag der DDR mit einer radikalen Bildsprache die Geschichte vorweggenommen: Eine Mauer und ein Stacheldrahtzaun schlossen das Geschehen unerbittlich ein – währenddessen forderte die Bevölkerung draußen auf der Straße ihre Befreiung aus der Einzäunung ein.weiterlesen
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