Im musikalischen Weltgedächtnis finden sich zahlreiche Melodien von Giuseppe Verdi. Als Schöpfer des Gefangenenchors im Nabucco wie des Triumphmarsches in der Aida ist dieser Meister prägnanter Tongestalten zugleich ein großer Dramatiker, der mutig die Themen seines Jahrhunderts aufgreift. Die Titelheldin der Traviata behandelt eine Frauengestalt damaliger Gegenwart; der Kirchenkritik in Don Carlos und Aida eignet zur Entstehungszeit tagespolitische Brisanz. Das Ringen des Individuums mit einer feindlichen Gesellschaftsordnung, sein Aufgespanntsein zwischen Macht, Liebe und Schicksal aber fasziniert als Grundthema von Verdis Opern bis heute. Dies verdankt sie nicht zuletzt einer eminenten Begabung zur Herstellung dramatischer Kontraste. Dazu gesellen sich in den späteren Werken die vermehrte psychologische Durchdringung von Handlung und Personen sowie kompositionstechnische Meisterschaft. Wie sich ein kontrapunktisch verarbeitetes Motiv als tödliches Spinnennetz um die Seele legen, die strenge Form der Fuge als Gefäß explosiver Heiterkeit dienen kann, lässt sich mit Worten beschreiben, doch nur als tönendes Beispiel wirklich erfassen. Erst erklärt, dann gehört: So weiß man, was in der Oper wirklich passiert.
Hörbeispiele mit Lucia Popp, Joan Sutherland, Agnes Baltsa, Dietrich Fischer-Dieskau, Plácido Domingo, Luciano Pavarotti, José Carreras und anderenweiterlesen