In Anlehnung an die Definition der Epidemiologie befaßt sich die Subdisziplin „Historische Epidemiologie“ mit der Häufigkeit und Verteilung von Krankheiten in ihrer geschichtlichen Dimension. Für den Anthropologen stellt sich hier immer das Problem, ob das Quellenmaterial - das in Form von menschlichen Skelettfunden, Leichenbränden, Mumien oder Moorleichen zur Verfügung steht - eine hinreichende Grundlage für epidemiologische Untersuchungen und Interpretationen liefert. Generell ist also zu hinterfragen, ob die Datenbasis es überhaupt zuläßt, mit den aus der Rezentepidemiologie übernommenen theoretischen Grundlagen zu operieren. Da sich zentrale Probleme der menschlichen Existenz dem Zugriff einer einzelnen wissenschaftlichen Disziplin entziehen, ist eine fächerübergreifende Kooperation von elementarer Bedeutung, wenn man das Krankheitsgeschehen vergangener Epochen entschlüsseln will. Die in diesem Buch behandelten Themen können somit nur einige markante Aspekte einer Historischen Epidemiologie wiedergeben. Sie sollen zeigen, daß sich diese Disziplin von einer ausschließlich materialorientierten Paläopathologie oder einer heuristischen Medizingeschichte abgrenzt. Ziel der Einzelbeiträge ist es, die Information, die in der fächerübergreifenden Breite liegt, dem Leser nahezubringen; dabei wird selbstverständlich kein Anspruch auf Vollständigkeit und Systematik erhoben, wie schon der Untertitel belegt. Die einzelnen Beiträge verfolgen zunächst einen heuristischen Aspekt, indem sie sich einem spezifischen Problem methodisch annähern, um einen wissenschaftlichen Zugang zu finden; ferner soll aufgezeigt werden, daß wir unsere Befunde ständig vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse kritisch zu relativieren haben, und schließlich soll die Interpretation der historischen Quellen sowohl Wandel als auch Kontinuität in regionalhistorischer Dimension verdeutlichen.weiterlesen