Perspektiven des politischen Denkens
Sechs Portraits. Hannah Arendt, Dolf Sternberger, John Rawls, JürgenHabermas, Alasdair MacIntyre, Charles Taylor
Produktform: Buch / Einband - fest (Hardcover)
Die politische Philosophie des 20. Jahrhunderts wurde
nicht durch Positionen, sondern durch Personen bestimmt.
Will man wissen, worum es den Theorien des Politischen
im vergangenen Jahrhundert gegangen ist, erweist es sich
als aufschlussreich, sich den Denkbiographien ihrer wegweisenden
Vertreter zuzuwenden. Diese aber lassen sich
nicht fugenfrei in krude Positionsschablonen – wie etwa
›Kommunitarismus‹ oder ›politischer Liberalismus‹ – einfügen.
Das mag damit zu tun haben, dass die Erfahrungen
des 20. Jahrhunderts sich nicht auf einen Begriff bringen
lassen: Die verstörenden Katastrophen zweier Weltkriege,
der Zivilisationsbruch mit dem Namen Auschwitz,
überhaupt der Vernichtungsterror diktatorischer Regime,
die Atombombenabwürfe, die zunehmenden innergesellschaftlichen
und globalen Ungerechtigkeiten sowie
die unübersehbar werdenden Modernitätspathologien
– von ökologischen Umwälzungen bis zu empfundenen
Sinndefiziten – all das hat sich in die Denkbiographien
auf vergleichbar intensive, aber unterschiedliche Weise
eingraviert.
Das macht die erfahrungsgesättigten Lebensläufe nicht
zu Schlüsseln für politische Denkrichtungen. Aber die
signifikanten Positionen der Theorie des Politischen erweisen
sich als durch Erfahrungen imprägnierte Antworten
auf zeitgeschichtlich drängende Fragen, die sich ihre
Vertreter nicht selbst gestellt haben, sondern die ihnen
von der geschichtlichen Situation auferlegt worden sind.
'Es scheint', so hat es Hannah Arendt formuliert, 'als
seien bestimmte Personen … derart exponiert, daß sie
gleichsam Knotenpunkte und konkrete Objektivationen
›des‹ Lebens werden.' Die in diesem Band vorgestellten
Autoren sind in einem vergleichbaren Sinne kognitive
›Knotenpunkte‹ des politischen Denkens ihrer Zeit. Sie
konturieren das Spektrum an möglichen Antworten auf
die Herausforderungen, vor die sie sich gestellt sahen und
sehen.
Das Buch stellt in systematischen Porträts signifikante und
exemplarische Positionen des politischen Denkens vor. Bei
jedem Autor wird ein zentraler Aspekt ausgemacht, der
gleichsam bei der Lektüre des Gesamtwerkes als das ›Gravitationszentrum‹
genommen wird:
Hannah Arendts Werk wird als der Versuch einer erzählenden
Bewältigung des Traditionsbruchs vorgestellt.
Durch die erinnernde Erzählung soll eine rettende Verteidigung
einer humanen Welt gelingen.
Dolf Sternbergers Werk wird als eine durchgängige Verteidigung
der Differenz von Gut und Böse angesichts der
versuchten Umwertung durch die Nationalsozialisten resümiert.
An Sternberger wird dabei als einen politischen
Moralisten erinnert.
John Rawls’ Ansatz wird als der Versuch gekennzeichnet,
durch eine Entlastung des Begriffs der Gerechtigkeit von
historischen, metaphysischen, religiösen Vorgaben etc.
eine zweite Moderne zu begründen, die über einen rehabilitierten
Begriff der Gerechtigkeit zu verfügen vermag,
der dem Umstand eines vernünftigen Pluralismus gerecht
wird.
Jürgen Habermas wird als ein Intellektueller vorgestellt,
der sich dem Projekt der Moderne solidarisch verpflichtet
weiß, durch Schaffung einer kritischen Öffentlichkeit
Aufklärung zu betreiben. Vor dem Hintergrund einer
sich als säkular verstehenden Moderne ist die Habermas
zunehmend bedrängende Frage nach der Funktion der
Religionen in liberalen Gesellschaften von Interesse: Sie
kommen als ein möglicher Ausgleich von Motivationsdefiziten
einer moralischen Immanenz in den Blick.
Alasdair MacIntyres Chronologie eines ›Verlusts der Tugend‹
wird als ein entropischer Prozess interpretiert, also
als eine unumkehrbare Dynamik. Durch diesen rhetorischen
Kunstgriff erzielt MacIntyre den Effekt einer éducation
sentimentale, um ein ›adäquates Gefühl‹ für den Wert
der Traditionen zu entwickeln.
Charles Taylors Ansatz wird anhand seiner umfangreichen
Schriften als ein Neoromantizismus resümiert, der
Hegels Scheitern einer Versöhnung von Aufklärung und
Romantik zum Ausgangspunkt hat. Auf diese Weise sucht
Taylor eine Ordnung des Guten zu rehabilitieren.
Die Herangehensweise an die behandelten Autoren ist
affirmativ, nicht kritisch. Die sechs systematischen Portraits,
als Fingerübungen vorgelegt, sind Probestücke einer
Horizontabschreitung. Daher wird eine mögliche Kritik
oder gar Widerlegung nicht zum Fluchtpunkt der Lektüre
gemacht. Die skeptische Philosophie kennt das entsprechende
Moment der epoché, des Innehaltens im Urteil.
Die den vorgelegten Portraits zugrunde liegende Zurückhaltung
in der voreiligen Zustimmung oder Zurückweisung
der behandelten Entwürfe des Politischen ergibt sich
aus ihrer Vergleichbarkeit als variierende Antworten auf
zentrale Fragen.weiterlesen
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