Philosophien sprachlicher Gewalt
21 Grundpositionen von Platon bis Butler
Produktform: Buch / Einband - fest (Hardcover)
Sprache und Gewalt können ohne Zweifel gegeneinander
wirken: Die dialogische Kraft des Gesprächs vermag
den gewaltsamen Konflikt zu suspendieren. Zugleich
jedoch bilden Sprache und Gewalt nicht nur einen
Gegensatz, sondern sind auch aufeinander bezogen: So
können wir in der Sprache vergangene Gewalttaten wieder
wachrufen oder zukünftige androhen. Doch Sprache
und Gewalt sind auch ineinander verwoben: Sprache
selbst kann verletzen. Die Edition fragt nach diesem
intrinsischen Zusammenhang von Sprache und Gewalt.
Sie zeigt anhand von unterschiedlichen philosophischen
Grundpositionen, dass sich die Gewalt der Sprache
vom ›verletzenden Sprechakt‹ auf der einen bis hin zur
›strukturellen Ur-Gewalt‹ der Sprache auf der anderen
Seite erstreckt.
Die ›Gewalt der Sprache‹ entfaltet der Sammelband anhand
von ausgewählten Autorenportraits, die vom philosophischen
Klassiker (Platon oder Hobbes) bis hin zu
viel diskutierten Gegenwartsdenkerinnen und -denkern
reichen (Honneth oder Butler). Ihren philosophischen
›Gesprächspartnern‹ nähern sich diese Porträts dabei
auf unterschiedlichen Wegen: Ein Teil der Beiträge hat
eher einführenden Charakter und stellt einen etablierten
Denker im Diskurs um sprachliche Gewalt vor (etwa
Nietzsche oder Derrida). Ein anderer Teil der Beiträge
setzt sich mit solchen Philosophien auseinander, bei denen
sprachliche Gewalt ein bisher nur wenig beachtetes
Motiv darstellt (etwa bei Hegel oder Wittgenstein). Ein
letzter Teil schließlich widmet sich gerade jenen Philosophen,
bei denen Sprache und Gewalt Antipoden bilden
(etwa Buber oder Habermas), um diese Entgegensetzung
gegen den Strich zu lesen. Drei unterschiedliche Zugänge
zu Philosophien sprachlicher Gewalt lassen sich also
unterscheiden: Der rekonstruktive Zugang arbeitet ein
bestimmtes Konzepte sprachlicher Gewalt bei einem
Philosophen heraus. Der konstruktive Zugang erarbeitet
ein spezifisches Verständnis sprachlicher Gewalt
mit einer bestimmten Philosophin. Der dekonstruktive
Zugang schließlich versucht die Überlegungen eines
Philosophen zur Entgegensetzung von Sprache und
Gewalt gegen diesen selbst zu denken. Rekonstruktion,
Konstruktion, Dekonstruktion – das sind also die grundlegenden
Lektürestrategien der Beiträge.
Während die rekonstruktiven Beiträge eine Einführung
in die festen Größen der noch jungen Debatte um
sprachliche Gewalt bieten, erschließen die Beiträge mit
konstruktiven und dekonstruktiven Lesarten das Potenzial
bislang weitgehend vernachlässigter Positionen.
Auf diese Weise macht diese Edition eine ganze Reihe
philosophischer Grundpositionen überhaupt erst für
den Diskurs um sprachliche Gewalt zugänglich. Deren
Bandbreite lässt sich holzschnittartig folgendermaßen
unterteilen: (1) Als Beleidigung, Herabsetzung oder Demütigung
kann sprachliche Gewalt in Form von konkreten
Sprechakten auftreten. Diese Ebene der Gewalt ist im
Anschluss an John L. Austins ›performative Äußerungen‹
untersucht worden: Sprechen ist in dieser Hinsicht
nicht nur ein Tun, sondern zugleich auch ein An-Tun. Im
Anschluss an Austins Konzept des Performativen hat Pierre
Bourdieu gezeigt, dass das Kränkungspotenzial der
Rede in gesellschaftlichen Praktiken und Konventionen
wurzelt. (2) Stärker sozialphilosophisch angelegte Theorien
fragen dagegen eher nach den Bedingungen der
Möglichkeit menschlicher Verletzbarkeit durch Sprache.
Philosophinnen und Philosophen dieses Paradigmas
versuchen die Verletzbarkeit durch Worte vor dem
Hintergrund zu verstehen, dass Sprache nicht nur Medium
der Information oder Verständigung ist, sondern
vor allem eine Instanz, welche die Einzelnen durch ihre
Ansprache ins Leben ruft. Während die Anrufung mit
dem Eigennamen Identität stiftet, so argumentiert etwa
Judith Butler, droht in der beleidigenden Benennung mit
Schimpfnamen der traumatische Verlust von Identität.
(3) Eine weitere Perspektive wird von diskursanalytisch
orientierten Ansätzen wie etwa denjenigen von Michel
Foucault oder Gayatri Spivak eingebracht. In diesem
Rahmen wird die der Sprache innewohnende Gewalt in
historisch situierten Regulierungen dessen verortet, was
überhaupt zur Sprache kommen kann. (4) Der Zusammenhang
von Sprache und Gewalt kann jedoch noch
fundamentaler verstanden werden: So unterschiedliche
Philosophen wie Nietzsche, Adorno oder auch Derrida
haben auf je verschiedene Weise herausgearbeitet,
inwiefern Gewalt nicht nur mit Worten ausgeübt wird,
sondern in der Struktur der Sprache selbst liegt, weil
die Verfahren der Prädikation und Identifikation darauf
beruhen, vom Einzelnen zu abstrahieren, um damit
das Ungleiche auf einen Nenner zu bringen. Bereits der
Sprache als Logos kommt dieser Perspektive zufolge daher
immer schon eine eigene Gewaltsamkeit zu.weiterlesen
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