Eröffnet wird der Beitragsreigen von Axel Schünemann mit einem Totensonntagstraum – in memoriam Ulrike Mix (1955 – 2011), einem Traum-Nachgang zum Tod von Ulrike Mix, die im Jahrbuch 2006 noch Mitautorin in Psychoanalyse und Philosophie war und deren vielfältige Beiträge aus Musik und Kunst sowie deren stets kritische und selbsterfahrungsstarke intellektuelle Begleitung wir sehr missen.
Christoph Weismüller hebt in seinem Text Vom Schwinden und Erscheinen der Sexualität. Sexualität zwischen Körper und Technik das Verhältnis von sexueller, technischer und politischer Freiheit hervor und bedeutet damit, dass eine bloß subjektivistisch ausgerichtete Psychologie und Psychoanalyse den Komplex von Krankheit und Symptom mit ihren Mitteln nicht zu erfassen in der Lage ist; dass diesen gegenüber in besonderem Maße kritisch zu verfahren ist, und zwar in der Weise, diese auf Objektivität hin zu erweitern, damit Krankheit und Symptome angemessen erfasst und therapeutisch angegangen werden können.
Mit seinem Beitrag Kampf um die Vorhaut nimmt Axel Schünemann Bezug auf die weiland medial heftig geführte, niemals aber angemessen theoretisch aufgearbeitete ‚Beschneidungsdebatte’. In pathognostischer Konkretion und Radikalität durchdenkt er seine Eingangsthese, dass die präpubertäre Zirkumzision unabhängig sei von allen wertabsoluten oder traditionalen Begründungen; dass sie aber sehr wohl zweckrational bestimmt sei, und zwar durch ihre Hauptfolge der Dämpfung der männlichen Masturbation.
Christoph Weismüllers Beitrag Sexualfreiheit, Todestrieb und Kultur macht noch einmal deutlich, dass das Problem subjektivistischer Konzeptionen darin besteht, nicht anzuerkennen, dass die Krankheit niemals eine rein subjektive, sondern immer eine subjektiv angemaßte ist und dass es gemäß solchen Anmaßungsübergriffs auf die Objektivität darum ginge, die Pathologie und ihre Symptome als ein Medienproblem aufzufassen, mit dem die Freiheit als die tödliche Hochspannung von Sexualität und Kultur diskutiert wird: als die Hochspannung des Todestriebs.
Ralf Bohn thematisiert am Paradigma Paul Klee den Widerstand zur Profession der Malerei im Verhältnis zur Grafik. Eine Ausdrucksform des Widerstandes entdeckt sich ihm in Klees Pathologien, seiner neurodermitischen Hauterkrankung. Er entwickelt die These, alle medialen Grenzorgane seien Wächter des Widerstands und zugleich Spielorte osmotischer Bildinszenierung und Verdinglichung. So werde die Haut zur Leinwand und in der Sklerodermie mache sich durch die Einstellung der Hautosmose die Reinheit des Körpers als Produktionseinbehaltung geltend.
Dionissios Vajas schließt ein Triptychon an:
Der BMW-Sternmotor und Teratogenes lässt teilnehmen an einer die Kulturproduktion nachvollziehenden Imaginierung des besagten Motors, die auf die Bewusstwerdung der innerpsychischen Vorkommnisse und deren intellektuelle Aufarbeitung ausgerichtet ist.
Der Beitrag Das Konzentrationslager Dachau stellt die Nachbearbeitung eines Besuchs dieses Lagers dar und führt zu der These, dass der nationalsozialistische Staat sich mit der jüdischen Bevölkerung identifizierte und an ihr den eigenen Tod als Tod der anderen praktizierte.
Wie vergisst man die Psychoanalyse? fragt nach dem Verhältnis von Psychoanalyse und Film und pointiert, dass der Film den Traum der Psychoanalyse „nach draußen schleppt“.
Ulrich Hermanns Beitrag Pour être – Vielheit, Verschiebung und Appell im Handwerk des Unbewussten arbeitet sich ab und vielfältige Ebenen auf anhand der Diskussion des von Deleuze und Guattari in ihrem Werk Rhizome respektive Mille Plateaux wie apokryph (nicht) formulierten Satzes „Wir sind Schmiede des Unbewussten und hämmern und schlagen flach“.
Gertrud Lettaus Beitrag Ethik und Kultur. Von der Unmöglichkeit des Sittlichen arbeitet die Aporie des sittlichen Anspruchs in Kultur und Gesellschaft heraus. Die Psychoanalyse betreffend hebt sie deren Sittlichkeit besonders hervor, insofern es dem sittlichen Brauch ent-spricht, den Dingen die reinste unschuldigste Jungfräulichkeit zu attestieren; in eher unsittlichem Bezug erweise sie sich hingegen zum konfliktgepeinigten Kranken.
Lukasz Bankas Skizze einer unethischen Ethik greift als publikatorisches pathognostisches Initium das Problem der Formulierung gültiger Handlungsanweisungen respektive der Legitimation von Handlung unter kritischer pathognostischer Perspektive auf. Die Ethik hebt er hervor als notwendig gewordenen Versuch der Schuldtilgung des Urverbrechens von Kultur an Natur unter der Todesabblendung dieses Verbrechens.
Bernhard Lubberger formuliert mit Götterdämmerung. Versuch einer Selbstbetrachtung initiale, narzissmuskritische Gedanken im Zugang zu Psychoanalyse und Philosophie.weiterlesen