Qualzuchtmerkmale bei der Katze und deren Bewertung unter tierschutzrechtlichen Aspekten
Produktform: Buch
Mit 14,7 Millionen Tieren ist die Katze im Jahr 2019 das beliebteste Haustier Deutschlands (Statista, 2020). Die einst als Schädlingsbekämpfer geduldete Tierart erfreut sich heute als Haustier durch scheinbar grenzenlose züchterische Abwandlungen des äußeren Erscheinungsbildes großer Beliebtheit. Zahlreiche Farb-, Größen- und Formvariationen mit oder ohne Fell, Tasthaaren oder Schwanz sowie variabler Ausprägung der Nasenlänge sind trotz der Tierschutzrelevanz als Rassen der verschiedenen Zuchtverbände zugelassen. Die drastische phänotypische Veränderung von Perser-Katzen dient als Paradebeispiel einer Qualzucht und den seit Jahren zunehmenden Trend extremer Zuchtauslese. Ungeheuerlich erscheint es, dass deren im Rassestandard der Zuchtverbände gefordertes äußeres Erscheinungsbild einer beim Menschen anerkannten Entwicklungsstörung gleicht.
Die Tatsache, dass die rassespezifischen Belastungen über Jahrzehnte bekannt, bewusst ignoriert und gezielt züchterisch gefördert werden, obwohl die Zucht-verbände die Priorisierung der Gesundheit ihrer Zuchttiere beteuern, verdeutlicht die Willkür und Skrupellosigkeit, mit der Menschen ihre Profilierungssucht befriedigen und war Anlass für die Ausarbeitung dieser Arbeit.
Um die Ausmaße anerkannter katzenspezifischer Qualzuchtmerkmale sowie neuer Zuchtformen zu erfassen, wurden diese im Rahmen der vorliegenden Arbeit anhand aktueller wissenschaftlicher Publikationen ausführlich erörtert. Diese Schilderungen dienen als Grundlage für deren anschließende tierschutzrelevante Beurteilung, die die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit, das Verhalten und das Wohl-ergehen merkmalstragender Tiere aufzeigt.
Die unverhohlene Vermehrung qualzüchterischer Katzen belegt die erheblichen Mängel bei der Verhinderung und Ahndung von Qualzuchten durch die zuständigen Behörden. Da sich das Problem vielschichtig gestaltet, bedarf es zur langfristigen Qualzuchtprävention neben einer umfassenden Aktualisierung und Erweiterung der Rechtsvorgaben sowie dem Verbot der öffentlichen Zurschaustellung von Qual-zuchten auch ein Zulassungsverfahren neu konstituierter Rassen durch ein eigens bestimmtes und autorisiertes Tierschutzgremium. Eine weitere tierschutzrechtliche Beurteilung neuer Zuchtlinien durch größtenteils tiermedizinische, genetische und verhaltenstherapeutische Laien ist unverantwortlich und weder mit dem Staatsziel Tierschutz noch mit den Vorgaben von § 11b TierSchG vereinbar.
Neben den Züchtern müssen auch Tierärzte ihrer Verantwortung nach dem Codex Veterinarius gerecht werden. Pathologische Veränderungen, die zu Schmerzen, Leiden und Schäden der Tiere führen, müssen den Tierbesitzern bzw. Züchtern aufgezeigt sowie kritisch hinterfragt werden und dürfen nicht als rassetypisch abgewertet werden.
Auch wenn Therapieformen verbessert werden und eine Behebung bzw. Linderung der züchterisch bedingten Belastungen ermöglichen, kann es nur das Ziel sein, praktizierte Zuchttechniken zu überdenken, neue wissenschaftliche Erkenntnisse diesbezüglich anzunehmen und die negativen Auswirkungen der Zucht auf betroffene Tiere sowie die ethischen Grenzen anzuerkennen.
Getreu dem Motto „Nicht das züchterisch, biotechnisch oder gentechnisch Machbare darf das Ziel sein, sondern das Vertretbare“ (Herzog, 1997).weiterlesen