Realistische Modellierung von Bewegung und Datenverkehr Realistische Modellierung von Bewegung und Datenverkehr in Katastrophenszenarien
Produktform: Buch / Einband - flex.(Paperback)
Im Rahmen dieser Arbeit wurden realistische Modelle für Bewegung, Datenverkehr und Vertei- lung der Lastquellen in Katastrophenszenarien entwickelt. Als grundsätzliche Vorgehensweise wurden für die jeweilige Modellierung zunächst für Katastrophenszenarien spezifische Eigen- schaften erfasst. Danach wurde betrachtet, inwieweit existierende Modelle diese spezifischen Eigenschaften abbilden können. Da eine Modellierung dieser Eigenschaften jeweils mit keinem der existierenden Modelle ausreichend detailliert möglich war, wurden neue Modelle entwickelt, mit denen die spezifischen Eigenschaften realisiert werden können. Schließlich wurden die neu- en Modelle in ausgewählten Szenarien zur Validierung der Eigenschaften evaluiert und mit Stan- dardmodellen verglichen. Abschließend wurde dargelegt, inwieweit die entstandenen Modelle auch für die Modellierung anderer Szenarien geeignet sind.
Für die Bewegung ergaben sich, basierend auf der Analyse von allgemeinen Katastrophen- schutzkonzepten, die folgenden Charakteristika:
• Heterogene Bewegung in taktischen Räumen
• Optimale Pfade, die Hindernisse berücksichtigen
• Einheiten verlassen das Netz und kommen neu hinzu
• Optionale Gruppenbewegung
Das neue Disaster-Area-Bewegungsmodell wurde so entwickelt, dass alle Charakteristika be- rücksichtigt werden: Es werden taktische Räume definiert und die einzelnen Knoten diesen zu- geordnet, wodurch zugleich eine geographische Restriktion der Bewegung erfolgt. Basierend auf Sichtbarkeitsgraphen werden optimale Pfade zwischen den Hindernissen berücksichtigt, die den Bewegungs-Zyklus der einzelnen Knoten beeinflussen. Das Ein- und Ausschalten der Knoten wird durch eine Erweiterung des Bewegungsformates realisiert. Gruppenbewegung kann optio- nal durch einen Ansatz basierend auf Referenzpunkten berücksichtigt werden. Da in den Me- triken, die zur Evaluation von Bewegungsmodellen berücksichtigt werden, im Allgemeinen von einer konstanten Knotenanzahl ausgegangen wird und diese im neuen Modell schwankt, wurden die Metriken entsprechend erweitert. Die Evaluation zeigte, dass das neue Disaster-Area-Modell die entsprechenden Charakteristika abbildet und jedes modellierte Charakteristikum einen deut- lichen Einfluss hat. Im Rahmen der Verallgemeinerung wurde festgestellt, dass sich die an sani- tätsdienstlichen Lagen orientierte Modellierung durchaus national wie international auf Katas- trophenszenarien und ausgewählte militärische Szenarien erweitern lässt.
Die Analyse des Datenverkehrs zeigte, dass auch in zukünftigen Netzen in Katastrophensze- narien die Anwendungen, die durch Sprachkommunikation in heutigen Szenarien abgedeckt werden, von entscheidender Bedeutung sein werden. Daher wurde Sprachdatenverkehr
für verschiedene Multicast-Gruppen in Katastrophenszenarien gemessen und analysiert. Die Analyse des Sprachdatenverkehrs zeigte, dass konversationsbedingte Abhängigkeiten vorliegen. Bei Berücksichtigung dieser Abhängigkeiten zeigt sich darüber hinaus, dass die Konversations-IDLE-Zeiten die Verkehrsintensität bestimmen. Zur expliziten Berücksich- tigung der Konversationen wurden neue, unterschiedliche Modellierungen, basierend auf Drei-Zustands- und n-Zustands-Semi-Markov-Modellen, beschrieben. Für diese wie auch für existierende Modelle wurden zur Wahl der Funkruflängen und IDLE-Zeiten die Parameter für Standard-Wahrscheinlichkeitsverteilungen angepasst. Basierend auf diesen Fittings wurden die Modelle statistisch evaluiert. Die neuen Modelle unterscheiden sich in ihren Ergebnissen untereinander nur geringfügig, zeigen aber im Vergleich zu anderen, existierenden Modellen deutliche Unterschiede. Im Rahmen der Verallgemeinerung wurde durch die Analyse von weiteren Messungen auf Rettungsdienst-Funkkanälen gezeigt, dass sich die existierenden Modelle auch zur Modellierung von Last in weiteren Szenarien eignen.
Die Modellierung der Verteilung der Lastquellen basiert ebenfalls auf Messungen in Katas- trophenszenarien. Aus der Analyse der Messungen ist klar ersichtlich, dass in Katastrophen- szenarien keineswegs eine Gleichverteilung der Lastquellen zu erwarten ist, da in den meisten Fällen nach sternförmigen und nicht nach Mesh-basierten Kommunikationsmustern kommuni- ziert wird. Daraus folgt, dass ungefähr die Hälfte alle Funkrufe vom Sternkopf getätigt werden. Diese Eigenschaft führte durch Berücksichtigung unterschiedlich detaillierter Modellierungen von Abhängigkeiten und anteiliger Mesh-Kommunikation zu verschiedenen Verteilungsmodel- len. Die Evaluation zeigt, dass die neuen Modelle je nach Detailgrad die beobachteten Eigen- schaften berücksichtigen. Die in diesem Abschnitt entwickelten Modelle lassen sich ebenfalls für die Modellierung von verschiedenen weiteren Szenarien verwenden.
Abschließend erfolgte eine exemplarische Leistungsbewertung mit dem Ziel, den Einfluss der Modelle auf die Leistungsbewertung in Kommunikationssystemen abzuschätzen. Dazu wurde zunächst exemplarisch der Einfluss auf die simulative Leistungsbewertung von Routing- Protokollen betrachtet. Der Einfluss jedes einzelnen Modells stand zunächst im Mittelpunkt. Es zeigte sich, dass die Modellierung auf jeder Ebene signifikante Einflüsse auf die zeitliche Paketverlustrate hat. Allerdings führten die Verwendung der neuen Last- und Verteilungsmodelle zu optimistischeren Ergebnissen. Das Bewegungsmodell hingegen zeigt, dass allgemeine, häufig verwendete Modelle deutlich zu optimistische Ergebnisse bewirken. Die Bedeutung der neuen Modelle für weitere Forschungsergebnisse im Bereich Leistungsbewertung wurde ebenfalls exemplarisch durch Simulation von Routingprotokollen abgeschätzt. Es ist bemerkenswert, dass sich für den Vergleich einiger Protokolle die Ergebnisse, die die neuen Modelle verglichen mit allgemeinen, meist verwendeten Modellen erzielen, invers verhalten. Schließlich wurde noch der Einfluss auf Topologie-Kontroll-Strategien untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Strategien, die in allgemeinen Szenarien sehr gute Ergebnisse erreichen, gerade in Katastrophenszenarien aufgrund der heterogenen Knotenverteilung zu einer größeren Partitionierung des Netzes neigen können. Insgesamt zeigt sich, dass die neuen Modelle einen signifikanten Einfluss auf die Leistungsbewertung von Kommunikationssystemen, insbesondere in Katastrophenszenarien, haben.
Aufgrund des deutlichen Einflusses, den die neuen Modelle auf die Leistungsbewertung von Algorithmen und Protokollen für Kommunikationssysteme haben, liegt es nahe, im Rahmen der zukünftigen Arbeiten eine erweiterte Evaluation durchzuführen. Wie bereits in der Arbeit be- gründet, ist es besonders interessant, Topologie-Kontroll-Verfahren simulativ zu evaluieren, da Katastrophenszenarien für viele der existierenden Verfahren besondere Herausforderungen im- plizieren. Des Weiteren ist aber auch die Evaluation von Medienzugangs-, Routing- und Trans- portprotokollen für Katastrophenszenarien ein interessanter Bereich für zukünftige Arbeiten. Gerade im Hinblick auf die Standardisierung eines neuen Kommunikationssystems für Behör- den und Organisationen mit Sicherheitsauftrag, das auch MANET- und/oder Mesh-Netzwerk- basierte Komponenten enthält, können die entwickelten Modelle zu Referenzszenarien werden und so vollständige Kommunikationssysteme mit diesen evaluiert werden.
Für eine weitere Beschäftigung mit der Modellierung in Katastrophenszenarien bieten sich aufbauend auf den vorliegenden Ansätzen und Ergebnissen verschiedene Möglichkeiten an. Für die Bewegungsmodellierung wäre es erstrebenswert, die Bewegung innerhalb der Bereiche de- taillierter zu erfassen und zu modellieren. Dazu wären Messungen in Katastrophenszenarien (zum Beispiel Übungen) sehr hilfreich. Die gewonnenen Messdaten könnten dann auch gleich- zeitig zur Validierung des bestehenden Modells herangezogen werden. Eine Herausforderung liegt in der entsprechenden Messarchitektur, da die Position der verwendeten Funkgeräte sehr genau erfasst werden müsste. Längere Messungen und die auf diesen basierende Analyse von etwaiger phasenspezifischer Bewegung wären ebenfalls sehr interessant.
Im Hinblick auf die Modelle für Datenverkehr und Verteilung wäre eine Identifikation und Zuordnung der Funksprüche und in Zukunft ggf. auch weiterer Daten zu einzelnen Stationen äußerst interessant. So wäre es möglich, auch die Verteilung der Last innerhalb der Gruppe zu analysieren. Darüber hinaus wäre es möglich, wenn sowohl Bewegung und Datenverkehr für je- den Knoten einzeln erfasst würden, Korrelationen zwischen Bewegung (Position eines Knotens) und Datenverkehr zu analysieren. So könnten noch deutlich detailliertere Modelle entwickelt werden. Bei einer kombinierten Modellierung von Bewegung, Datenverkehr und Lastquellen- Verteilung ist die Abstraktion vom betrachteten Szenario hin zu einem generischen Modell eine besondere Herausforderung.
Die Modellierung der Signalausbreitung wurde im Rahmen dieser Arbeit nicht näher betrach- tet. In heterogenen Katastrophenszenarien, teilweise freies Feld, teilweise Trümmergebiete, stellt aber die realistische Modellierung der Signalausbreitung eine wichtige Aufgabe dar. Eine realisti- sche, möglichst allgemeine Modellierung eventuell in Kombination mit der Position (Bewegung) der Knoten stellt einen sehr schwierigen aber auch interessanten Bereich für zukünftige Arbeiten dar.
Die in dieser Arbeit entwickelten Modelle sind schon relativ komplex und von der Nutzbarkeit für den Leistungsbewerter her als aufwendig anzusehen. Insbesondere auch im Hinblick auf noch komplexere Modelle oder Modell-Kombinationen von Bewegung, Datenverkehr und Signalaus- breitung in relativ komplexen Szenarien wäre eine einheitliche, standardisierte Beschreibung wünschenswert. Die Definition einer entsprechenden Beschreibungssprache stellt somit eben- falls eine interessante Herausforderung dar.
Letztlich muss bei allen Erweiterungen zu noch komplexeren Modellen evaluiert werden, in- wieweit die Modelle überhaupt noch einen Einfluss auf die Ergebnisse der Leistungsbewertung haben. Falls es einen Einfluss gibt, ergibt sich die Frage, inwieweit Forschungsergebnisse, die mit generischen Szenarien erstellt wurden, auf spezifische Katastrophenszenarien übertragbar sind. Insgesamt stellt also auch die Leistungsbewertung von Algorithmen, Protokollen und Kommu- nikationssystemen mit komplexeren Modellen einen Bereich zukünftiger Arbeiten dar.
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