Religiöser Nonkonformismus und frühneuzeitliche Gelehrtenkultur
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Im Zeitalter der Reformation entstehen neben den großen Konfessionen weitere Bewegungen, die den Prozess der religiösen Pluralisierung begleiten und diesen phasenweise beschleunigen und radikalisieren. Dazu zählen auch der Antitrinitarismus und Sozinianismus des 16. und 17. Jahrhunderts, die eine lang anhaltende Wirkung im akademischen Diskurs entfalten sollten. Es handelt sich dabei jedoch nicht um homogene Bewegungen, sondern um verschiedene Denkansätze, die in je unterschiedlicher Weise auf die Kritik am Dreifaltigkeitsdogma rekurrieren. Diese sollten langfristig dazu beitragen, dass einer autoritativ betriebenen Bibelexegese die Grundlagen entzogen wurden. Seit den Studien Delio Cantimoris zu den Eretici italiani del Cinquecento (1939) ist die Bedeutung des heterodoxen Diskurstyps erkannt, dabei jedoch oft einseitig auf das Lebensschicksal der prominenten Vertreter bezogen worden. Die in der vorliegenden Buchreihe publizierten Texte sollen dazu anregen, nach den funktionalen Bezügen des antitrinitarischen Denkens zu fragen, etwa nach der epistemischen Ausrichtung der Bewegungen, ihren ideellen Rahmungen sowie den literarisch-rhetorischen Strategien der Dogmenkritiker. Die Anhänger abweichender Bekenntnisse zeigen dabei oft eine hohe Beweglichkeit, um dem mit der Konfessionalisierung wachsenden Konformitätsdruck der kirchlichen Autoritäten zu entgehen. Nur in lokal und temporär begrenzten Zusammenhängen entwickeln sich in der Frühen Neuzeit nicht institutionalisierte Formen religiösen Lebens, die unter Gesichtspunkten einer (nicht linear gedachten) Modernisierungstheorie betrachtet werden können. Von exemplarischer Bedeutung ist hier die Religionsphilosophie und Theologie des Italieners Fausto Sozzini (1539–1604), der nach einem Aufenthalt in Siebenbürgen 1579 nach Polen emigrierte und dort zum Führer einer Ecclesia minor wurde, die Anhänger in ganz Europa gewinnen konnte. So löste die Entdeckung einer sozinianischen Gruppierung, die sich an der Nürnberger Akademie zu Altdorf um den Medizin- und Philosophieprofessor Ernst Soner (1573–1612) formiert hatte, umfangreiche Ermittlungen der lokalen Obrigkeit aus. Diesem um 1600 entstandenen Netzwerk in Altdorf ist der erste Band der neuen Reihe gewidmet. Weitere Bände werden jeweils Konstellationen von Themen und Publikationsaktionen des Antitrinitarismus ausleuchten. Nachdrucke von entlegenen Texten werden ausführlich eingeleitet und flankiert von Materialien, Rezeptionsdokumenten sowie verwandten Veröffentlichungen. Einige Bände erschließen bisher ungedruckte Manuskripte. Die antitrinitarischen Denkhorizonte, die auf diese Weise wiedergewonnen werden, reichen von den antitrinitarischen Anfängen in Heidelberg und bei italienischen Exulanten in der Schweiz über die exegetischen und dogmatischen Entwicklungen in Ungarn und Polen bis zur westeuropäischen Frühaufklärung und dem Umkreis von Locke, Bayle und Newton.weiterlesen
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