Rücksicht, Besorgnis, Bedenken – dies sind die gebräuchlichen Übersetzungen des lateinischen „religio“. Ist damit schon alles gesagt? Nimmt man noch die ebenfalls sinnstiftende „Rückbindung“ hinzu, ist vielleicht beschrieben, was offensichtlich die Menschheit in Gänze beschäftigt – nein, besser: betrifft. Nach Jahren munter betriebener oder im Wohlstand achselzuckend erlebter Religionsferne – je nach Wohnort Deutschland Ost oder Deutschland West – ist Religion wieder ein Thema. Sie hat sehr wohl gelebt, so, wie sie das immer tat, dem einen als bergende Nische, dem anderen als Tradition, die sich dem Verstand versagen darf, womöglich als Projektionsfläche, als Untergründiges, Ungefähres, spätestens angesichts der Drohung des eigenen Todes. Katastrophen schärfen den Blick aufs Religiöse, so oder so, das hat Hausenstein erlebt, und es hat seinen Blick – und offensichtlich den seiner jüdischen Frau – verändert.
Für Margot und Wilhelm Hausenstein war kurz vor Kriegsende eine Entscheidung gefallen, die die Jüdin und den Protestanten im Katholischen Glauben bergen sollte. Es sollte die Sicherheit des alten Glaubens sein, das vertraute Ewige Licht – aber auch Hausenstein blieb die schlüssige Antwort auf die „Gretchenfrage“ versagt, zu unauflösbar blieb der Antagonismus zwischen der Suche des denkenden Humanisten, der Schönheit der Kunst verpflichtet, das antike Erbe verinnerlichend, das den aufgeklärten Humanisten verlangt und bedingt, und dem Mystischen, dem Gefühl, das, höher als alle Vernunft Rettung in Zeiten der Not versprach, und sich sonntäglich mit dem kläglichen Bodenpersonal auseinandersetzten musste.weiterlesen