Religion - Macht - Politik
Journal für politische Bildung 3/2017
Produktform: E-Buch Text Elektronisches Buch in proprietärem
Die seit der Aufklärung und insbesondere der Französischen Revolution machtvoll voranschreitende Säkularisierung und die damit verbundene Herauslösung von Politik,
Wirtschaft und Wissenschaft aus theologisch-kirchlichen Deutungen führte nicht zum Verschwinden der Religionen, doch hat die Religion im pluralistischen Gemeinwesen
seitdem einen wesentlich veränderten Stellenwert. Anders als in England und den USA, wo der Aufbau des neuzeitlichen und modernen Staates weitgehend unbelastet von
Glaubenskämpfen und staatlich-kirchlichen Konflikten vor sich ging, vollzog sich in Kontinentaleuropa die Entwicklung von Demokratie und Menschenrechten in scharfer
Auseinandersetzung mit Kirche und christlichem Glauben. Dieser war in der Monarchie Staatsräson, in Deutschland noch bis zum Zusammenbruch des Kaiserreiches 1918, wo
bis dato eine enge Bindung zwischen staatlicher und kirchlicher Macht – Thron und Altar – herrschte.
Über Jahrzehnte war Religion ein eher unterrepräsentierter Themenbereich in den großen politischen Auseinandersetzungen der Bundesrepublik Deutschland.
Religionspolitische Fragestellungen und Konflikte werden in der Öffentlichkeit allerdings zunehmend kontrovers diskutiert, und Politiker/-innen unterschiedlicher Couleur
betonen nachdrücklich die Bedeutung von Religionen und Glaubensgemeinschaften für Staat, Demokratie und Gesellschaft. Gleichzeitig finden religiöse
Transformationsprozesse in der Gesellschaft statt, welche nicht zuletzt durch Zuwanderung beschleunigt werden, und es wird intensiv debattiert, wie mit religiös motivierter
Diskriminierung und Gewalt umgegangen werden kann. Obwohl in Deutschland formalisierte religiöse Bindungen abnehmen und die Akzeptanz christlicher Überzeugungen
schwindet, kann im Allgemeinen jedoch nicht von einem fortschreitenden Bedeutungsverlust von Religion(en) die Rede sein, im Gegenteil: Die Religion ist in den vergangenen
Jahren – spätestens seit 9/11 als eine welthistorische Zäsur sowie als „Chiffre für die Ohnmacht der Aufklärung“ (Arno Orzessek) – mit großer Wirkungsmächtigkeit in die
Öffentlichkeit zurückgekehrt.
Haben wir es mit einer genuinen Renaissance des Religiösen zu tun oder handelt es sich hierbei um eine Instrumentalisierung von Religion für politische Zwecke? Fest steht
zumindest, dass Religion, Macht und Politik sich in einem Spannungsfeld gesellschaftlichen Zusammenlebens befinden und in Zusammenhängen der politischen Bildung immer
umfangreicher und kontroverser diskutiert werden. Religion ist demnach wieder ein großes Thema. Wo verschiedene religiös-weltanschauliche Überzeugungen
aufeinandertreffen, da entstehen Wertkonflikte, die des öffentlichen Diskurses bedürfen und häufig emotional werden, da solche Dispute die Menschen im Kern ihrer
Identität berühren. Gleichzeitig sind sie immer nur einer von vielen Faktoren, aus denen Identität erwächst, wenn auch ein bedeutsamer. Und oft scheint es einfacher, seine
religiös-weltanschauliche Überzeugung vorzuschieben, um sich abzugrenzen, anstatt in einen Dialog einzutreten. Unsere Gesellschaft wird pluraler, womit das Potenzial für
gesellschaftliche Konflikte, die religiös bzw. weltanschaulich motiviert sind, wächst. Umso wichtiger ist es, einander zuzuhören und in einen sachlichen Austausch darüber
einzutreten, welche religionspolitische Gestaltung zukunftsfähig ist: Wie viel und welche religiöse Aktivität verträgt der demokratische Staat? Und wie viel staatliche Regelung
vertragen die Religionen? Diesen und anderen Leitfragen im Spannungsfeld „Religion – Macht – Politik“ widmet sich dieses Heft.weiterlesen
Dieser Artikel gehört zu den folgenden Serien
13,99 € inkl. MwSt.
kostenloser Versand
lieferbar - Lieferzeit 10-15 Werktage
zurück