Schuld und Sühne
Produktform: Buch / Einband - flex.(Paperback)
Schuld und Sühne sind zwei Seiten einer Medaille: Wer sich beispielsweise Geld leiht, ist verpflichtet, es zurückzuzahlen. Menschen wiederum, die Geschenke oder immaterielle Hilfe erhalten haben, stehen moralisch in der Schuld anderer, sich zu revanchieren. Schuld ist aber auch ein Stigma der Ächtung. Wer Schuld trägt, muss sühnen oder Buße tun. Man kann sagen, »Schuld« – finanziell, moralisch, juristisch – ist eine Essenz unseres Zusammenlebens. Sie bestimmt maßgeblich unser zwischenmenschliches Handeln. Und durch die Corona-Pandemie befeuert, wird über Schulden noch mehr diskutiert und geschrieben als zuvor.
Unser neues Themenheft [Schuld und Sühne]– frisch aus dem Druck – handelt von der Genese der Schuld und des Schuldbegriffs. Es zeigt die anthropologischen Zusammenhänge von moralischer und geldlicher Schuld. Es handelt davon, wie sich Schuld mit ihrer Rationalisierung, Individualisierung und Moralisierung ändert und was sie in modernen Zeiten – auch und vor allem in ökonomischer Hinsicht – bedeutet.
Was etwa hat Überschuldung mit Moral zu tun? Dass wir für moralische Schuld und geldliche Schuld das gleiche Wort verwenden, mag auch eine entscheidende Ursache für die gemeinläufige Problematisierung von Staatsschulden sein.
Traditionelle Ökonomen stehen dem Staat, seinen Ausgaben und seinen Schulden skeptisch gegenüber und würden das Biest am liebsten »aushungern«. Staatsschulden seien nicht generationengerecht, da sie den zukünftigen Generationen den Schuldendienst in Form von Zinsen und Tilgung aufbürdeten. Oder weil Schulden von heute die Steuern von morgen seien.
Doch auf dem Feld der Staatsökonomie stellt sich die Sache gänzlich anders dar. Staatsschuld ist keinesfalls per se etwas Verwerfliches. Im Gegenteil, dem Staat kommt eine zentrale Rolle im Wirtschaftsgeschehen zu, nicht nur in der Corona-Krise. Und es sind die Schulden des Staates, die es privaten Haushalten erlauben, Vermögen aufzubauen.
Schulden werden also missverstanden und ohne ihre Kehrseite gesehen – dass nämlich jede Schuld auch für irgendjemanden gleichbedeutend mit einer Forderung ist. Anders ausgedrückt: Die Fokussierung unserer moralischen Aufmerksamkeit liegt auf dem Schuldner und nicht auf dem Gläubiger. Dieser fundamentale Wandel im Verständnis von Schulden im Vergleich zu früheren Zeiten ‒ der Antike oder des Mittelalters – wirft die Frage auf, ob wir nicht den Schuldenbegriff ent-moralisieren, das Kreditwesen aber re-moralisieren sollten.weiterlesen
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