Simulation in Umwelt- und Geowissenschaften
Workshop Osnabrück 2003
Produktform: Buch / Einband - flex.(Paperback)
Im Folgenden wird eine kurze inhaltliche Übersicht über die Beiträge geben:
Den Auftakt bietet K.-H. Krause vom Institut für Technologie und Biosystemtechnik der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig mit dem Thema Stofffreisetzung in Stallsystemen mit Zwangslüftung. Der Vortrag war ein echter Auftakt, der am anschaulichen Beispiel der Nutztierhaltung sämtliche Probleme der Beschäftigung mit Umweltmodellen aufzeigte: Teuere Messdatenerfassung, sensitive, dreidimensionale Modelle der Luftzirkulation, die Probleme der Visualisierung der Simulationsergebnisse bis hin zu einer auch juristisch verwertbaren Validierung und Auswertung.
Aus einem anderen Anwendungsgebiet und mit anderem Skalenniveau aber ähnlich differenziert berichteten im Anschluss Bader et al. von der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (EAWAG), Dübendorf, über Erneuerbare Energien: Dynamische Modellierung der Aufbauzeit, eingesparter Treibhausgas-Emissionen und finanzieller Aspekte. Im Rahmen einer Szenariountersuchung analysieren sie die Einführung erneuerbarer Energien unter den Aspekten: wie schnell, wie teuer und wie effektiv? Ein einfaches dynamisches Energie- und Stoffhaushaltsmodell wird vorgestellt und am Beispiel der Einführung von Windenergie auf seine Aussagekraft hin untersucht.
Damit war das Medium „Luft“ abgedeckt und man widmete sich mit zwei Beiträgen aus der Arbeitsgruppe Ökologische Modellbildung, Bayreuther Institut für Terrestrische Ökosystemforschung (BITÖK), Universität Bayreuth dem Thema „Agenten“: Der erste Beitrag von F.-J. Knauft, und M. Hauhs hat die Entwicklung eines Wissensrepository zur Durchforstung von Fichtenwäldern auf der Basis interaktiver Multiagentensimulation zum Ziel. Basis bietet ein einzelbaumorientiertes Waldwachstumsmodell das das Bestandeswachstum eines Fichten- Versuchsbestandes detailliert rekonstruiert. Darauf aufbauend sollen die Handlungsoptionen eines Försters durch interaktive Eingriffe in das Modellgeschehen nachgebildet werden. Durch Beobachtung und Protokollierung dieser Interaktionen und ihrer agentenorientierten Abbildung im Modell werden typische Eingriffe in das Ökosystem „Wald“ nachgespielt. Damit wird im Modell eine Transparenz der in Realität sehr langsam ablaufenden Prozesse des Waldwachstums erreicht, die wiederum zur Ausbildung von Förstern und zur nachhaltigen Bewirtschaftung von Wäldern genutzt werden können.
Einen Abstraktionsgrad höher argumentiert G. Glotzmann in seinem Beitrag Ein agentenbasiertes Simulationssystem zur Untersuchung von abstrakten Ökosystemen in strukturierten Umwelten. Es stellt Bausteine für den Entwurf vernetzter Topologien als Modelle der Umwelten sowie hierarchisch strukturierter Agenten als Modelle der Individuen zur Verfügung. An zwei Beispielen erläutert Glotzmann die Ausdruckskraft seines Systems: Eine Simulation der Futtersuche von Individuen einer Ameisenkolonie führt zu emergentem Verhalten auf der Basis von einfachen Regeln für die Einzel-Individuen. In einem zweiten Beispiel lässt sich die evolutionäre Anpassung von Populationen unter zeitlich variablen limitierenden Ressourcen simulieren.
Die drei folgenden Beiträge widmen sich mit verschiedenen Facetten dem Medium „Wasser“:
Das gesamte Spektrum eines Systems zur Entscheidungsunterstützung entwickeln S. Lautenbach et al. vom Institut für Umweltsystemforschung der Universität Osnabrück in ihrem Beitrag Aufbau eines Entscheidungsunterstützungssystems zum Flussgebietsmanagement für das Einzugsgebiet der Elbe. Sie skizzieren den modularen Aufbau des Softwaresystems und veranschaulichen dessen Einsatz beispielhaft anhand der Module „Einzugsgebiet“ und „Gewässernetz“. Über die Definition von Szenarien, Zielvorgaben, Maßnahmen und Indikatoren in einer einheitlichen Bedienoberfläche wird das Zusammenspiel von den Modellkomponenten Einzugsgebiet, Fließgewässer, Hauptstrom und Flussabschnitt ermöglicht. Anschließend wird beispielhaft gezeigt, wie die ausgewählten Modelle bei der Simulation der Auswirkungen von Maßnahmen und Szenarien zusammenspielen.
Ein anderes Problem beschäftigt M. von Saleski und K.-E. Lindenschmidt vom Umweltforschungszentrum Magdeburg. In ihrem Beitrag Parameteridentifizierung und –optimierung eines hydrodynamischen Modells verfeinern sie ein bereits bestehendes hydrodynamisches Modell (DYNHYD) um den Einfluss von Wehren. Eine Wehr-Überfall-Gleichung wird eingebunden und verbessert die Möglichkeiten zur Pegelprognose erheblich. Jedoch wird diese Modellerweiterung mit einem erweiterten Parametersatz erkauft, der die Form und die Beschaffenheit der Wehre charakterisiert. Die Autoren untersuchen diese Parameter auf Sensitivität und schlagen einen optimierten Wertesatz vor.
Der Beitrag von Klasmeier und Matthies vom Institut für Umweltsystemforschung der Universität Osnabrück konzentriert sich auf die Simulation der Belastung von Flusseinzugsgebieten in Europa aus punktförmigen Emissionsquellen, d.h. also vor allem auf den Einfluss von Kläranlagen. Unter dem Titel Georeferenzierte Expositionsmodellierung in Flussgebieten präsentieren die Autoren ein segmentiertes Flussmodell, eine stochastische Abwassereinleitung, eine als Verteilungsfunktion angebbare Kläranlageneffizienz sowie ein Transport- und Eliminationsmodell der untersuchten Substanz im Gewässer. Damit erzielen sie eine Prognose der Stoffkonzentration entlang des Gewässerlaufes, die mit Monitoringdaten aus dem realen System verglichen werden können und eine erstaunlich gute Übereinstimmung aufweisen.
Die zweite Hälfte des Workshops war Informatik-Themen gewidmet. Unter dem Stichwort „Objektorientiertes“ wurden drei Beiträge vorgestellt:
Zunächst präsentierten M. Bach et al. vom Arbeitsbereich für Technische Informatiksysteme, Universität Hamburg die Einbindung von Simulation in computergestützte Lernumgebungen auf der Basis einer Client-Server-Architektur. Aus einer Projektarbeit zum Thema eLearning entstand eine Architektur bestehend aus einem Simulationsmodell auf dem Server und einer Bedienoberfläche zur Parametrisierung des Modells auf dem Client. Besondere Aufmerksamkeit legt dieser Vorschlag auf die Rolle des Autors, der die Bedienoberfläche des Modells unabhängig vom Modellierer gestalten kann und damit eine Einbindung in Lernsysteme mit lernzielspezifischen Attributierungen ermöglicht. Auf der Protokollebene des Systems werden Nutzeridentifikation, Mehrbenutzerbetrieb und Datensicherheit besonders erläutert.
Objektdatenbanken in der Modellierung – Erfahrungen und Perspektiven war das Thema von M. Müller vom Dresdner Grundwasserforschungszentrum e.V. Müller erläutert die Bedeutung einer gemeinsamen Datenhaltung bei komplexen, räumlich und zeitlich fein aufgelösten Simulationsaufgaben. Zur Lösung und zur Integration der Daten schlägt er eine objektorientierte Datenbank vor und erläutert deren Anwendung im Modellsystem MODGLUE. Er stützt sich dabei auf die Open-Source- Software ZODB und demonstriert deren funktionale Mächtigkeit an Hand von ausgewählten Teilen von Python-Code.
Eine gänzlich andere Lösung präsentieren Hussels et al. Von der RISA Sicherheitsanalysen GmbH. Sie legen über eine konventionelle relationale Datenbank eine objektorientierte Schicht zur Definition von Tabellen und zur Parametrisierung der Bedienoberfläche. Ziel ist die schnelle Erstellung einer prototypischen Datenbanklösung, die dann ohne Veränderung der eigentlichen Datenbanktabellen dynamisch an die Bedürfnisse des Anwenders angepasst werden kann. Das entsprechende Produkt hießt RISA-GEN (für generische Lösung), der Titel des Beitrags entsprechend Erfahrungen mit dem Einsatz des generischen Datenbankanwendungs- und Entwicklungswerkzeugs RISA-GEN.
In der anschließenden Session wurden weitere Tools und Methoden vorgestellt. N.X. Thinh vom Institut für ökologische Raumentwicklung e.V., Dresden, berichtet über die Weiterentwicklung seines 2-dimensionalen Modells zur Stadtentwicklung. Dazu führt der Autor eine algebraische Struktur für GIS-Layer, Grids sowie Matrizen ein und erweitert das Grundkonzept des zellulären Automaten durch Verwendung von multivariaten Zellzuständen. Anhand der digitalen Flächennutzungsdaten der Stadtregion Dresden wird das Modell kalibriert und getestet. Entsprechende Simulationsergebnisse werden vorgestellt.
B.Page et al. vom Arbeitsbereich Angewandte und Sozialorientierte Informatik (ASI) der Universität Hamburg berichten über einen Ansatz zur Kopplung von Stoffstromnetzen mit einem Simulationsmodell der Produktionsendstufe eines Halbleiter-Herstellers. Hierzu werden zwei gängige Softwarewerkzeuge (Umberto und Simul8) aus der jeweiligen Verfahrensdomäne verwendet und zur Modellierung der Produktionsendstufe herangezogen. Es werden dabei die Schwierigkeiten und Vorteile dieser Techniken und Werkzeuge aufgezeigt. Abschließend wird dargelegt, warum eine Kopplung beider Ansätze in diesem Kontext sinnvoll ist.
Methoden zur Ergebnisauswertung und -visualisierung bilden den Abschluss des Workshops. H. Lange und B. Thies (Norwegian Forest Research Institute, As, Norwegen bzw. aus der Gruppe Ökologische Modellbildung am Bayreuther Institut für Terrestrische Ökosystemforschung) konzentrieren sich auf Analyse- und Visualisierungsmethoden für instationäres Verhalten von Umweltdaten. Dazu gehören Wiederkehrdiagramme, Wavelets, das Projection Pursuit Verfahren (PP) und die Independent Component Analysis (ICA). Die Verfahren werden an Beispielen erläutert und ihre Verwendung insbesondere für die Modellvalidierung propagiert.
Wer nach diesen inhaltlichen „Appetithäppchen“ Lust auf mehr bekommen hat, dem wünsche ich eine eine angenehme und anregende Lektüre mit dem vorliegenden Band!
Jochen Wittmannweiterlesen
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