Singular, Plural: Trinität
Eulenfisch 1_2020
Produktform: Buch / Geheftet
Heilende Beziehungen
Was hat eigentlich die gegenwärtige Corona-Krise mit unserem trinitarischen Gottesverständnis von Vater, Sohn und Heiliger Geist zu tun? Auf den ersten Blick werden wir kaum einen Zusammenhang vermuten. Wie kann auch ein tödliches Virus, das die Menschheit in Angst und Schrecken versetzt, etwas gemein haben mit dem dreifach lebendigen Vollzug absoluter Liebe in Gott? Unvorstellbar? Scheinbar!
Die Pandemie mit ihren tiefgreifenden sozialen Folgen steht vielerorts für ein neues Normal und zwingt uns, auch vertraute Denkgewohnheiten in Frage zu stellen bzw. wieder neu auf Vergessenes zu blicken. Ich denke hier an erster Stelle an die große Welle der Solidarität, die unser Land und Europa erfasst hat. Auch wenn man sich sicherlich noch mehr europäischen Geist gewünscht hätte, wurde das unsichtbare Virus weltweit zu einem Band sichtbarer Verbundenheit der Menschheitsfamilie – trotz populistischer Verharmloser und irregeführter Verschwörungstheoretiker, leider auch von den Rändern unserer Kirche. Durch viele Hilfsaktionen auf allen Ebenen wurde deutlich, welche enorme heilende Kraft im gesellschaftlichen Zusammenhalt steckt. Auf dem Höhepunkt der Krise konnte von einer „Gesellschaft der Singularitäten“ (Andreas Reckwitz) nicht mehr ungebrochen die Rede sein.
Corona hat uns daran erinnert, dass unsere soziale Wirklichkeit zutiefst auf Beziehung aufgebaut ist und daraus ihre Vitalität bezieht. Dass Relationalität, Vitalität und Liebe den Grund von allem bilden, drückt die Kirche traditionell in ihrer Rede von Dreifaltigkeit, Dreieinigkeit oder Trinität aus. Immer dreht sich unser liturgisches Sprechen und Beten um dieses Ereignis von Beziehung. Dabei geht es primär nicht um Zahlen und ihre innewohnende Logik – drei ist mehr als eins. Es kommt darauf an, tiefer in das Geheimnis der Wirklichkeit zu blicken. Hinter die konkreten Zahlen. Schon der Kirchenlehrer Basilius und später der Mystiker Meister Eckhart wussten, dass Gott jenseits aller Zahlen zu suchen ist. Aber damit ist das Dilemma unserer Rede von Gott treffend beschrieben. Diesseitig jenseitig von Gott zu sprechen, geht nur in Bildern.weiterlesen
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