Sprache – Diskurse – Meinungsbildung.
Jahrestagung der Leibniz-Sozietätä der Wissenschaften am 20.10.2022
Produktform: Buch / Geheftet
Dass Meinungen durch Sprache nicht nur ausgedrückt, sondern auch beeinflusst werden, ist ein seit jahrhunderten bekanntes Phänomen. Die Sprache als Barriere zwischen dem menschlichen Denken und der Wirklichkeit der Außenwelt ist immer wieder sprachkritisch thematisiert worden. Die Vorstellung, dass Sprachen in ihrer Eigenart das Denken ihrer Sprecher prägen, erreichte bei Wilhelm Von Humboldt ihren Höhepunkt, lebt aber bis heute fort, etwa in der Annahme, dass Sprachen Zeitvorstellungen oder die Farbwahrnehmung prägen können.
Geht es um clen Einfluss von Sprachen als historisch entstandene und von den Sprechern erworbene Gebilde, so steht heute die Prägung von Meinungen durch Diskurse im Mittelpunkt. Als Diskurse verstehen wir zum einen sprachliche Gebilde, die wie Texte über einen Satz hinausgehen; zum anderen schließt der Diskursbegriff aber auch die Situiertheit eines sprachlichen Gebildes in seinem jeweiligen Produktionskontext und die daraus resultierende Produktion von Sinn und Bedeutung mit
ein. Mehrere Texte zu einem Thema, einem Problem, einem Konflikt usw. können einen Diskurs bilden, in dem spezifische sprachliche Mittel wie Wörter, Metaphern, Phraseologismen, feste Wortverbindungen und sogar bestimmte Textsorten verwendet werden. Diese werden zu Erkennungsmerkmalen des Diskurses und gleichzeitig zu meinungsbildenden Faktoren. Der Zusammenhang zwischen dem Einsatz solcher Mittel und der beabsichtigten Meinungsbildung ist den Rezipienten oft nicht bewusst, sie können die sprachlichen Formen sogar selbst übernehmen und damit zu Trãgern der damit verbreiteten Meinung werden.
Der Aufdeckung solcher Meinungslenkung hat sich die Kritische Diskursanalyse verschrieben. Die korpuslinguisrische Orientierung hat dazu beigetragen, dass die Diskurslinguistik heure konzeprionell und methodisch eine der einflussreichsten Richtungen in der Erforschung von Diskursen ist. Daneben gibt es aber auch kulturwissenschaftliche, philosophische, literaturwíssenschaftliche, soziologische und psychologische Zugänge zu den verschiedenen Formen der Informations- und
Meinungssteuerung durch Sprache und Diskurse.
Die Beiträge dieses Bandes der Sitzungsberichte gehen auf Vorträge zurück, die am 20. Oktober 2022 auf der Jahrestagung der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. zum o.g. Thema gehalten wurden. Das Thema wurde wegen seiner Aktualität gewählt, denn wir erleben, dass Diskurse zu Themen wie Klimawandel, Pandemie oder Krieg in der Ukraine meinungsbildend sind. Sie sind in ihrer Vielfalt und Gegensätzlichkeit so offensichtlich, dass sie auch eine abgrenzende Funktion haben können und andererseits Wörter mit spezifischen Bedeutungen belegen, die sie für den allgemeinen Gebrauch problematisch werden lassen.
Ein weiterer Grund für die Wahl dieses Themas war die Geschichte der 1700 von Gottfried Wilhelm Leibniz gegründeten Kurfürstlich Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften, aus der 1746 die Académie Royale des Sciences et Belle-Lettres hervorging und deren Tradition sich unsere Sozietät verpflichtet fühlt. Diese Akademie war Mitte des 18. Jahrhunderts die erste Institution, die dazu aufrief, sich mit dem Thema des Einflusses der Meinungen auf die Sprache und der Sprache auf die Meinungen zu befassen. Schon damals war dieses Thema hochaktuell, wenn auch in einem etwas anderen Sinne als
heute. Die Beiträge dieses Bandes entsprechen ganz dem Bestreben der Leibniz-Sozietät, lnterdisziplinarität zu fördern. Neben Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftlern, die mit unterschiedlichen Methoden und zu unterschiedlichen Gegenständen arbeiten, haben ein Literaturwissenschaftler, ein Soziologe und Philosoph sowie eine Kulturwissenschaftlerin Beiträge geleistet.weiterlesen
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