Erinnerungen an die ersten 25 Jahre der Universität Konstanz
Produktform: Buch
Aus dem Vorwort von Horst Sund
Konstanzwar die am stärksten reformorientierte Hochschule Deutschlands nach dem Zweiten
Keltkrieg.
Die ersten Jahre nach der Gründung 1966 waren gekennzeichnet durch den Elan aller
Universitätsmitglieder. Es herrschte eine einmalige Aufbruchsstimmung. Man war bereit.
neue, unangepasste Formen der Kooperation zu erproben. Die nach Konstanz Berufenen
sollten sich dessen stets bewusst sein und gegebenenfalls auf eine Tätigkeit in Konstanz
verzichten, wenn sie das Reformkonzept für sich nicht akzeptieren wollten.
Die Reformuniversität Konstanz nahm Gestalt an in einer Zeit, in der man des anfänglichen
Reformeifers bereits überdrüssig geworden war. Der Spielraum für das ursprünglich gewollte
Experiment wurde schon bald stark eingeengt.
Während sich die Universität in den ersten fünf Jahren entsprechend dem Gründungkonzept
entwickelte, veränderte sich die Situation schlagartig mit Bekanntgabe des Urteils des
Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom November 1971. Konflikte innerhalb der
Universität und mit der Landesregierung, Rücktritt des Rektors, Ernennung eines
Landesbeauftragten, das Rektorat Naschold und die Diskussionen um eine endgültige
Grundordnung waren die Stichworte für die teilweise turbulenten Zeiten in der ersten Hälfte
der 1970er Jahre, allerdings ohne dass in dieser Zeit, das muss betont werden, Forschung und
Lehre vernachlässigt wurden. Trotz der inner- und außeruniversitären Probleme kam die
Universität Konstanz auch in dieser Zeit ihren Verpflichtungen vollständig nach.
Die Jahre nach 1976 waren gekennzeichnet durch die Weiterentwicklung des
Reformkonzeptes, die konsequente Anwendung des Prinzips der Forschungsschwerpunkte,
den Ausbau der internationalen Beziehungen, die Verankerung der Universität in der Region
und durch den Einfluss politischer Veränderungen wie Z.B. durch den Radikalenerlass.
Manch einer wird fragen, warum ich mich entschlossen habe, die "Erinnerungen an die ersten
25 Jahre der Universität Konstanz" zu schreiben. Ich gehörte zwar nicht zu den ersten acht
Professoren, die aus der Hand des Ministerpräsidenten vor 50 Jahren, im März 1966, ihre
Ernennungsurkunden erhielten, aber schon ein gutes halbes Jahr später, um die Jahreswende
1966/67 hatte ich mit Gründungsrektor Gerhard Hess meine Berufungsverhandlungen
begonnen. Nach der baldigen Berufung gehörte ich, zusammen mit Peter Hemmerich und
Wolfgang Pfleiderer, zu den erstberufenen Professoren in den Naturwissenschaften, wurde
deren erster Dekan und später, nach Waldemar Besson und Franz-Georg Maier, der dritte
Prorektor der Universität. In den anschließenden Konfliktsituationen, die ich hautnah miterlebt
habe, war ich mehrfach Prorektor und habe dann ab 1976 mehr als 15 Jahre lang als Rektor
die Geschicke der Universität gestaltet. Ich hatte also interne Kenntnisse von allen
Entwicklungsstadien der Universität, von denen ich meine, sie sollten festgehalten werden.
Dass die Beschreibung einiger Bereiche, wie die internationalen Beziehungen und die
Bodenseeregion, über die ersten 25 Jahre hinausgehen, ist deshalb nachvollziehbar, weil diese
während meines Rektorates begonnen und danach von mir fortgeführt wurden.
In die vorliegenden Erinnerungen sollten auch die Kenntnisse aus zahlreichen Gesprächen mit
unserem Gründer, Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger, und Gründungsrektor Gerhard
Hess einfließen.
Die Geschichte der Konstanzer Gründung kann in mancher Hinsicht als paradigmatisch fur
das Schicksal der deutschen Universitätsrefonn angesehen werden. Was hier im April 1966
begann, erscheint den Beteiligten in der Rückschau als das heute schon legendär anmutende
Experiment, einen akademischen Contrat social zu verwirklichen. Ohne Vorgaben einer
Tradition, die neue Institution einer Universität entwerfen zu können, die Grundsätze und
Spielregeln, denen man im institutionellen Leben unterworfen wurde, selbst beschlossen zu
haben und fur alle BescWüsse nur diejenigen überzeugen zu müssen, die alte Privilegien
freiwillig aufgaben, als sie nach Konstanz kamen, um an der Bildung dieser zugleich
geschlossenen und offenen Gesellschaft teilztmebmen - dies mag erklären, was als
,,Basiskonsens" die Entwicklung der jungen Universität in ihren Anfangen getragen hat,
warum die studentische Protestbewegung der ausgehenden 60er Jahre hier nicht blockierend,
sondern dynamisierend wirkte und warum die 1972 vom Kultusministerium gegen den
Konsens der großen Mehrheit aller Universitätsangehörigen oktroyierte Grundordnung den
Lebensfaden der neuen Institution verletzte. Warum war es notwendig, das Refonnexperiment
gerade an der friedlichsten Universität des Landes abzubremsen?
Trotz aller Widrigkeiten in den 1970er Jahren hat sich die Universität Konstanz, basierend auf
ihrem Refonnkonzept, hervorragend entwickelt: Sie gehört seit 2007 zum Kreis derjenigen
Universitäten, die in die Exzellenzinitiative aufgenommen wurden.
Ein Leuchtturm steht in Konstanz lautete der Titel des Festvortrages von Professor Dieter
Imboden beim 50jährigen Jubiläum der Universität am 24. Juni 2016. Dieser Titel stand Pate
bei der Fonnulierung meines Buchtitels.weiterlesen