Strukturtransfer und Eigensinn. Die Psychiatriereform in Sachsen nach 1990
Ein psychiatriehistorischer Beitrag
Produktform: Buch / Einband - flex.(Paperback)
Im Schnittfeld empirischer sozialwissenschaftlicher Transformationsforschung und der psychiatriehistorischen Forschung lässt sich die qualitativ-hermeneutische Arbeit ansiedeln.
Den Forschungsgegenstand der vorliegenden Arbeit bildet die Psychiatriereform im Freistaat Sachsen nach 1990, die im Kontext der gesellschaftshistorischen und politischen Rahmenbedingungen der Systemtransformation, der sie flankierenden Diskussionslinien, Aushandlungsprozesse und Konflikt- und Problemlagen mit akteurszentriertem Blick nachgezeichnet wird.
Die Arbeit verfolgt zum ersten einen deskriptiv-historiografischen Anspruch, indem sie diesen Reformprozess detailreich zu dokumentieren versucht. Sie unterzieht diesen Prozess zum anderen zugleich interpretativ-hermeneutisch einer Analyse und Deutung. Sie geht empirisch - abgebildet in drei forschungsleitenden Fragen - dem Wechselverhältnis von Struktur und Handlung nach:
- Welche Veränderungen vollzogen sich im psychosozialen Versorgungssystem in Sachsen seit 1990?
- Welche Handlungsmuster, Orientierungen und Motivlagen finden sich auf der Akteursebene?
- Wie sind beide Ebenen miteinander verschränkt?
Die zeitgeschichtliche und sozialwissenschaftliche Verortung des Forschungsvorhabens findet sich im Kapitel 3: Die Sächsische Psychiatriereform nach 1990 wird konzeptionell als Modernisierungsprozess und damit als in längerfristige Zeitläufte eingebettet betrachtet, weil sie nicht voraussetzungslos mit der „Wende“ in der ehemaligen DDR einsetzte. So werden logisch konsequent historische Linien - die Psychiatriegeschichte in der DDR mit Schwerpunkt auf den sächsischen Raum und die parallele Geschichte der Psychiatrie in der Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg - retrospektiv referiert und als Eingangsvoraussetzungen des einsetzenden Transformationsprozesses aufgezeigt. Die Betrachtung mündet in der Frage, inwieweit die Sächsische Psychiatriereform als nachholender oder doppelter Modernisierungsprozess zu bewerten sei.
Die empirische Untersuchung auf Basis von 31 Interviews, die die Akteure als Experten und Zeitzeugen gleichermaßen ansprachen (zur methodischen Begründung des subjektorientierten Experteninterviews vgl. Kapitel 2), und zahlreicher Dokumente, Archivalien sowie Primär- und Sekundärquellen zeichnet den Psychiatrieplanungs- und reformprozess auf der Ebene des Freistaates Sachsen (Kapitel 5) und seine konkrete und variationsreiche lokale Umsetzung im Untersuchungsgebiet Südwestsachsen nach (Kapitel 6).
Die Zeit des Moratoriums 1989-1991 am Beginn des einsetzenden Transformationsprozesses wird als besonders instruktive Phase des Wandlungsprozesses identifiziert (Kapitel 4). In diesem historischen Zeitfenster, in dem sich ein großes Maß an gesellschaftspolitischer Offenheit, Veränderungssensibilität und Handlungsmöglichkeiten bei den politischen, administrativen und den fachlichen Akteuren verbanden, gingen auch und besonders im psychiatrischen Versorgungssystem hochverdichtet Entwicklungsprozesse vonstatten. Am Beispiel dieser Phase kann empirisch für ein historisches Zeitfenster die (langfristig wirksame) strukturbildende Kraft des konkreten Zusammenspiels von Einzel- sowie kollektiven Akteuren als aktiv Handelnde extrapoliert werden. Zugleich kann aufgezeigt werden, wie der Eigensinn dieser Akteure die im Transformationspfad vorgezeichneten wirkmächtigen Strukturen anverwandeln.
Der Prozess der Sächsischen Psychiatriereform wird abschließend (Kapitel 7) in einem Phasenmodell, das empirisch generiert wurde, abgebildet.
Die Psychiatriereform in Sachsen nach 1990 kann bilanzierend als erfolgreich bewertet werden, weil sie - so die vier abschließenden Thesen -weiterlesen
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