Theologie der Barbarei
Die jihadistische Doktrin des Abū ʿAbdallāh al-Muhāǧir
Produktform: Buch / Einband - fest (Hardcover)
Der vorliegende Forschungsbeitrag zeigt, wie sich Jihadisten als die einzig wahren Muslime darstellen und damit Gewalt rechtfertigen. Dies geschieht am Beispiel der unter jihadistischen Salafisten weitverbreiteten Indoktrinationsschriften Aʿlām as-sunna al-manšūra fī ṣifāt aṭ-ṭāʾifa al-manṣūra (Herausragende sunnitische Gelehrte über die Attribute der siegreichen Gruppe) und Masāʾil min fiqh al-ǧihād (Rechtsfragen aus der Jurisprudenz des Jihad) des Ideologen Abū ʿAbdallāh al-Muhāǧir, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts entstanden sind. In der vorliegenden Studie werden die salafistisch-theologischen Konzepte nachgezeichnet, die dessen religiösen Exklusivismus und den daraus resultierenden weltanschaulichen Dualismus begründen. Die Untersuchung des Ideengebäudes al-Muhāǧirs, der trotz seines immensen Einflusses auf al-Qaida und den sogenannten Islamischen Staat kaum Eingang in die Forschung gefunden hat, legt die Binnenlogik der religiös aufgeladenen Narrative offen, mit denen jihadistische Salafisten selbst massive Gräueltaten rechtfertigen. In diesem Kontext werden die Rechtfertigungsnarrative al-Muhāǧirs rekonstruiert, deren Strukturmerkmale herausgearbeitet und einem doktrinären Rahmen zugeordnet.
Die so sichtbar gemachte jihadistische Doktrin dient der geistigen Vorbereitung von militanten Salafisten auf die Teilnahme am bewaffneten Jihad. Weiterhin zielt sie auf die Umwandlung von passiver Unzufriedenheit in ein aktives Wut- und Hassgefühl ab. Mit ihr möchte al-Muhāǧir Jihadwillige zum Kampf gegen abweichende Muslime und Nichtmuslime anstacheln. Seine Kampfdoktrin wertet Abweichler und Gegner ab, entmenschlicht sie und erklärt sie zu Feinden Gottes und des wahren Islam. So werden sie zur Zielscheibe vorgeblich gottgewollter, exzessiver Gewalt gemacht.
Im Ergebnis resultieren die Gewaltnarrative al-Muhāǧirs aus einer ideologisierten Herangehensweise an die konstitutiven Quellen des Islam und die Rechtswerke klassischer muslimischer Gelehrter. Hierzu reißt er die autoritativen Referenzquellen, die er verwendet, aus deren zeitlichen, räumlichen und thematischen Kontexten und konstruiert aus ihnen eine eigene Argumentationskette, deren einziges Ziel die Rechtfertigung von Gewalt ist. Durch die dargebotene Lesart des Islam soll sich den Adressaten der Eindruck aufdrängen, dass Gewaltnarrative und deren Handlungsdirektiven auf einer soliden islamrechtlichen Basis stehen.
Die beiden untersuchten Schriften selektieren, priorisieren und setzen Ereignisse aus frühislamischer Zeit in Analogie mit gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen. Diese Vorgehensweise zielt in erster Linie auf die Stiftung von Sinn und Kohärenz sowie auf die Plausibilisierung von Handlungsdirektiven ab. Seinen Adressaten liefert al-Muhāǧir eine Darstellung gegenwärtiger Ereignisse als Wiederholung oder gar Fortsetzung der Konflikte in der salaf-Epoche. Indem er sich auf Mythen und Ideen aus dieser Epoche stützt, bedient er die Sehnsucht seiner Adressaten nach religiöser Authentizität und liefert ihnen theologische Rechtfertigungen für rigorose Gewalt.
Mit dem stetigen und inflationären Rückgriff auf die göttliche Autorität als Legitimationsressource will sich al-Muhāǧir jeder Diskussion über die tatsächliche Wertigkeit seiner Rechtspositionen und theologischen Lehrmeinungen entziehen. Da er sich anmaßt, ein Bevollmächtigter Gottes zu sein, nimmt er sich das Recht, den Wert des Lebens von Muslimen und Nichtmuslimen zugunsten des von ihm propagierten Kampfes gegen die vermeintliche Hegemonie des Unglaubens zu relativieren. Die Konsolidierung einer islamischen Herrschaft salafistischer Prägung als Ziel rechtfertigt seiner Auffassung nach die Anwendung entgrenzter terroristischer Gewalt und folglich auch die Inkaufnahme des Todes von unschuldigen Muslimen und Nichtmuslimen. Dies geschieht unter Leugnung jeder moralischen Regel und jeder menschengemachten normativen Ordnung.weiterlesen
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