To liv / Zwei Leben
Produktform: Buch / Einband - fest (Hardcover)
Aus dem Vorwort:
Ich bin davon überzeugt, dass dieses Buch vielen von uns große Freude bereiten wird. Und es wird uns neue Perspektiven auf unsere eigene Rolle in den Verbindungen nach Deutschland eröffnen und ein aktuelles Abbild unseres Selbstverständnisses innerhalb dieses Beziehungsgeflechts liefern.
Wir wissen, Deutschland ist eine Kulturnation und eine Inspirationsquelle für norwegische Künstler in den Bereichen Malerei, Architektur, Musik, Literatur – und auch Film. Sowohl die Dokumentarfilme aus Nazi-Deutschland während des Krieges als auch späterhin die Dokumentationen des Terrorismus, unter anderem bei der Olympiade in München, stellen eindringliche Zeugnisse ihrer Zeit dar. Die Abrechnung mit dem Nazismus und der kritische Blick auf die Sowjet-Zeit haben sich in zahlreichen filmischen Werken manifestiert.
Und nun – sehr viel später erst – die Abrechnung mit uns selbst und unserem eigenen Anteil an Unmenschlichkeit gegenüber Frauen und besonders gegen Kinder im Norwegen der Nachkriegszeit und bis weit in unsere Zeit hinein. Im Rückblick auf die Zeit vor 1933 sehen wir, dass die Filmproduktion – und zwar die künstlerisch anspruchsvolle – in Deutschland seinerzeit den Boden für die Filmkunst weltweit bereitet hat. Dies geschah beispielsweise durch die expressionistischen Werke von Fritz Lang, die Filme mit Marlene Dietrich und die sozialkritische Richtung von G. W. Pabst, der Material von politischer Sprengkraft mit deutlichen Appellen an das Publikum verband.
Viele norwegische Produzenten und Regisseure können auf eine langjährige Zusammenarbeit mit deutschen Partnern zurückblicken; Gleiches gilt auch für Schauspieler. Persönlich hatte ich
Gelegenheit, schon vor vielen Jahren in Deutschland an der Seite von Maximilian Schell in dem Film Der Rosengarten zu spielen, und zwar in der Rolle einer Anwältin, die die grausamen Misshandlungen an jüdischen Kindern aufdeckt, welche während des Krieges an einer Schule
stattfanden. Später spielte ich eine Norwegerin in Axel Helgelands Produktion Zwei Leben, die sich mit dem Unrecht auseinandersetzt, das sowohl deutsche als auch norwegische Behörden im Leben von Kindern mit norwegischer Mutter und deutschem Vater geschehen ließen. Als „die
Anderen” wurden sie in ein Leben im Abseits gezwungen, weil WIR es zuließen.
Ich bin davon überzeugt, dass dieses Buch einen wichtigen Beitrag leistet, indem sowohl vertraute Aspekte im Verhältnis zwischen Norwegen und Deutschland beleuchtet werden, als auch Neues und weitgehend Unbekanntes zu erfahren ist. Bereits in der Stummfilmzeit wurde Norwegen von deutschen Filmpionieren bereist, und es hat ein Export von Filmstars aus Norwegen nach Berlin stattgefunden. Ein Kapitel über Hamsun und den Film bietet sich natürlich an, und der deutsche Einfluss auf die staatliche norwegische Filmpolitik war nahezu allumfassend, sowohl während des Zweiten Weltkrieges als auch danach. Deutsch-norwegische Gemeinschaftsproduktionen machen einen ganz wesentlichen Teil des filmbezogenen Gesamtbildes der letzten fünfzig Jahre aus. Zudem ist Deutschland seit 1990 ein äußerst wichtiger Markt für den norwegischen Film.
Die für mich interessantesten Aspekte im Bereich Film sind die Anknüpfungspunkte. Eine gefährliche Waffe in den Händen eines Diktators kann den freien Geist der Menschen brechen.
Deshalb brauchen wir – besonders in diesen unruhigen Zeiten – den Film mehr als je zuvor. Ich weiß, dass Filmkunst den Unterdrückten inspirieren kann; um es mit den Worten von Czesław Miłosz zu sagen: „Those who harm simple people and who laugh at their injuries will not be safe. For the poet remembers.” Was übersetzt in etwa wie folgt lauten könnte: „Wer einfachen Menschen Unrecht zufügt und sie in ihrem Leid noch verhöhnt, sollte sich niemals sicher fühlen. Denn der Dichter hält die Erinnerung wach.”
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