Trauma II
Produktform: Buch / Einband - flex.(Paperback)
Diese zweite Ausgabe zum Schwerpunktthema TRAUMA ist von
bedrückender Aktualität. Erschüttert blicken wir auf das, was in der
Welt passiert und erleben, wie sich dies auf unseren Lebensalltag und
auf unsere Arbeit in den kunsttherapeutischen Ateliers auswirkt. Die
Arbeit dort findet ja nicht in einem ‚White Cube‘ statt, in dem kontext-
und gesellschaftsvergessen therapiert wird. Mit ihren leidvollen
Erfahrungen tragen die Betroffenen die Welt in den geschützten therapeutischen
Raum hinein und das vermeintlich neutrale Weiß verliert
seine Unschuld. Die Grenzen zwischen Innen und Außen, zwischen
Ich und den Anderen, zwischen Individuum und Welt sind durchlässig.
Längst schon hat Heiner Keupp angemahnt, dass „der Zusammenhang
von subjektiven Leidenszuständen mit gesellschaftlichen Lebensbedingungen“
thematisiert werden muss (1). Was bedeutet diese
Anforderung für unsere (kunst-)therapeutische Arbeit? Wenn wir in
der Kunsttherapie mit Traumatisierten arbeiten, deren Leben zumeist
durch überwältigende Ereignisse wie Krieg, Flucht oder physische und
psychische Gewalt im häuslichen Umfeld existenziell bedroht worden
ist, beziehen wir uns auf den in der Psychotraumatologie definierten
Traumabegriff und nutzen therapeutische wie auch künstlerische Ansätze
und Methoden, die sich bewährt haben. Doch wie können wir
die gesellschaftliche Dimension, die Keupp für so wichtig hält, dabei
mitberücksichtigen? Ist sie therapeutisch relevant, dient sie den Betroffenen
zur Verarbeitung ihrer traumatischen Erfahrungen? Suchen wir
nach Antworten auf diese Fragen, können uns soziologische Modelle
weiterhelfen. Die von Andreas Reckwitz vorgelegte soziologischen
Analyse der Gegenwartsgesellschaft bietet hier einen fundierten Rahmen
zum Verständnis, wie gesellschaftliche Strukturen unsere derzeitigen
sozialen Praktiken bestimmen, in denen Affekte und der Kampf
um Anerkennung und Sichtbarkeit eine zentrale Rolle erhalten haben
(2). „Psychotherapie könnte genau für solche Zusammenhänge eine
wichtige seismographische Funktion haben“, schreibt Heiner Keupp.
Er ermutigt also dazu, die Chance zu nutzen, die der therapeutische
Kontext bietet, d.h.: In der Arbeit mit unseren Patient*innen wird un8
mittelbar die Nahtstelle zwischen Individuum und Gesellschaft sichtbar
und kann gemeinsam mit ihnen erkundet werden. Die Erkenntnis,
dass das eigene Leid gesellschaftlich bedingt ist, und somit über
die eigene Person hinausweist, entlastet von der Zuschreibung, selbst
schuldig für das eigene Leid zu sein. Sie befreit die Betroffenen aus der
Opferrolle und eröffnet ihnen einen Reflexions- und Handlungsraum,
der über den geschützten therapeutischen Kontext und der Arbeit an
der eigenen Person zurück in die Gesellschaft führt.
Aus dem Vorwort von Marion Wendlandt-Baumeisterweiterlesen
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