Seit gut zwanzig Jahren verdichtet sich in den Diskursen um „Trauma“ in immer neuen Konjunkturen der Gehalt der Diagnose von der „therapeutischen Gesellschaft“. „Trauma“ verweist sowohl auf die Existenz von individuellem Leid als auch auf die Verwandlung gesellschaftlicher Grenzen und Konflikte in individuelle Defizite und Störungen. Stand das Etikett „Trauma“ ursprünglich auch für eine gesellschaftliche Anerkennung psychischer Folgen von Krieg, Flucht und Vertreibung, so lassen sich damit zur Zeit – im genauen Gegenteil – ausgerechnet die von gesellschaftlichem Elend Betroffenen zu Trägern von Verantwortung ihrer eigenen Umgestaltung machen. Wer sich an den gesellschaftlichen Verhältnissen stört, wer also in Reaktion auf äußere Gewalterfahrungen leidet, der kann jetzt, erst theoretisch, dann aber auch ganz praktisch, selbst zu einer „Störung“ und einer „Gefahr“ der herrschenden Verhältnisse werden.weiterlesen