VARRONE. Porsches vergessener Ingenieur
Ein österreichisch-schweizerisches Erfinder- und Familienschicksal
Produktform: Buch / Einband - fest (Hardcover)
VARRONE - Porsches vergessener Ingenieur vermittelt dem Leser ein interessantes „österreichisch-schweizerisches Erfinder- und Familienschicksal", das sich von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des 20. Jahrhunderts erstreckt. Als Grundlage dienen die Aufzeichnungen der handelnden Personen, zudem Briefe, Dokumente, zahlreiche Fotos und Pläne aus den Familienarchiven der Varrone-Nachkommen, ergänzt mit Akten aus österreichischen und schweizerischen Archiven sowie Recherche-Ergebnisse aus zeitgenössischen Zeitungen und Zeitschriften. Einen ganz besonderen Dank möchte ich an dieser Stelle an Esther Kaufmann-Varrone für ihre jahrelange Unterstützung aussprechen!
Die Vorfahren von Hans (Gianni) Varrone väterlicherseits stammen aus dem Tessin. Sein Vater Johann Varrone (1832-1910) war ein bekannter Kunstmaler in Wien. Hans Varrone wuchs in gutbürgerlichen Verhältnissen in Wien, der Hauptstadt der großen k.u.k. Monarchie auf. Er sprach „wienerisches Deutsch" und kein Wort Italienisch. Dass er, um überleben zu können, die zweite Hälfte seines langen, beinahe 94-jährigen Lebens, im Heimatkanton seiner Vorfahren verbringen würde, ahnte er nicht. 1901 begann nach dem Studium an der Technischen Hochschule in Wien mit dem Eintritt in die Automobilfabrik Goebel, Knoller & Co. Varrones „automobilistisches" Leben.
1909 erhielt Ing. Varrone von Ferdinand Porsche den Posten als „k.u.k. Automobil Betriebsleiter" der mit Daimler-Bussen betriebenen Autobuslinie Abbazia - Triest vermittelt. 1913 kehrte Ing. Varrone in die Daimler-Werke nach Wiener Neustadt zurück, wo er als Abteilungsleiter für die Bremse und Fahrabteilung Direktor Porsche direkt unterstand und „als höchstbezahlter aller Jahrgangskameraden der Technischen Hochschule" eine von drei „Daimler-Villen" bewohnte. Die drei Varrone-Kinder Kurt, Erich und Elfi waren mit den Porsche-Kindern Louise und Ferdi (Ferry) gut bekannt und verbrachten - wie die Erwachsenen der beiden Familien - manch gemeinsame Zeit miteinander. Während des Ersten Weltkrieges lief die Daimler-Produktion auf Hochtouren. Varrone bereiste als Schweizer Staatsbürger und Zivilist allein, aber auch mit Porsche, die Kriegsgebiete in den Karpathen und in Galizien.
Hans Varrone stand am Höhepunkt seiner beruflichen Laufbahn. Das Kriegsende, die wirtschaftlichen und politischen Veränderungen führten ihn nach der Leitung einer Schiffswerft in Capodistria 1922 nach Hard am Bodensee, wo er die „Bodenseewerft" leitete, die zu 50 % Porsche gehörte. Die Werft war ein „ungesundes Unternehmen" und Varrone wurde noch im Sommer desselben Jahres entlassen. Der berufliche Niedergang nahm seinen Weg.
1923/25 versuchte Varrone mit dem Bau des Kleinwagens „VAR" - im Buch ausführlich präsentiert - wirtschaftlich neu durchzustarten. Sogar Porsche nahm bei einem Besuch in Hard den Kleinwagen interessiert in Augenschein. Das Unternehmen scheiterte; um überleben zu können, verdingte sich Varrone in der Großschlächterei Brero und schleppte nachts schwere Körbe mit Fleisch durch die Fabrikshallen.
1927 übersiedelte die Familie Varrone in die Schweiz, nachdem sie 1924 bei einem Brand beinahe ihr gesamtes Hab und Gut verloren hatte. Obwohl Schweizer Staatsbürger, tat sich Varrone - er sprach weder „Schwyzerdütsch" noch Italienisch - im Land seiner väterlichen Vorfahren nicht leicht. Er, der einst ein hochgeschätzter und tüchtiger Ingenieur von Ferdinand Porsche gewesen war, arbeitete in der Folge in unterschiedlichsten Berufen und als Verfasser von Fachartikeln in diversen Zeitschriften.
1938/39 steckte Varrone - gemeinsam mit dem bekannten Motorsport-Autor Hans Bretz - mitten in den Vorbereitungen für eine Porsche-Biographie, die durch den Ausbruch des 2. Weltkriegs verhindert wurde. Mit dem Beginn des 2. Weltkriegs erhielt Varrone eine Anstellung als Kontrolleur bei der KTA (Kriegstechnische Abteilung des Eidgenössischen Militärdepartements) - diese Tätigkeit übte er bis 1953 aus, indem er mit seinen 75 Jahren die vom Bundesrat festgelegte Altersgrenze von 70 Jahren längst überschritten hatte. Die letzten Jahrzehnte seines Lebens verbrachte das Ehepaar Varrone einen ärmlichen Lebensabend im Tessin, wo „Porsches vergessener Ingenieur" 1972 verstarb.
Die Lebensläufe der zwei „Varrone-Söhne" Kurt und Erich verliefen völlig konträr. Während Kurts Lebensmittelpunkt zeitlebens Vorarlberg blieb und er während der NS-Zeit zum dortigen NSFK-Sturmführer aufstieg, lebte und arbeitete Erich in der Schweiz. Nach der Ingenieur-Ausbildung an der ETH-Zürich arbeitete er bei „Scintilla" in Mailand.
Kurt Varrone erhielt wegen seiner NS-Vergangenheit (im NSFK: Nationalsozialistisches Fliegerkorps) nach 1945 erst nach einem umfangreichen Aktenverkehr, der sich im Bundesarchiv in Bern sowie im Staatsarchiv in Wien erhalten hat, nach langer Zeit wieder die Erlaubnis, in die Schweiz einzureisen und seine Vertretertätigkeit für CIBA, Basel (wo er seit 1924 beschäftigt war) aufzunehmen.
Erich Varrone war seit seiner Kindheit technikinteressiert. In den 1930er-Jahren baute er in seiner Freizeit drei unterschiedliche Autos. Während des 2. Weltkriegs „suchte der Bund technische Fachleute, und ich fand eine Anstellung bei der Kriegstechnischen Abteilung (KTA) Gruppe Flugmaterial. Dort arbeitete ich ca. 10 Jahre, dann 9 Jahre in der Generalstabsabteilung, Sektion Material." Später war Erich Varrone im Amt für geistiges Eigentum (Patentamt). Als „wissenschaftlicher Adjunkt" wurde er 1970 pensioniert. Im schweizerischen Heer brachte er es bis zum Oberstleutnant. 1969 wurde er im Zuge der „Florida-Affäre" sogar kurzfristig inhaftiert, nachdem der Basler SP-Nationalrat Helmut Hubacher die „Bombe" platzen ließ, in dem über schwere Mängel des Frühwarn-Radarsystems berichtet wurde.
Elfi Varrone versuchte sich in jungen Jahren in Österreich als mäßig erfolgreiche Tänzerin und übersiedelte 1927 mit ihren Eltern in die Schweiz. 1931 heiratete sie in Ascona, wo ihr Mann eine Zahnarztpraxis betrieb. 1937 trennten sich die Eheleute, 1943 erfolgte die Scheidung und Elfi musste als Alleinerzieherin „über die Runden" kommen. Mit Büroarbeiten und Näharbeiten für eine Textilfirma konnte sie für sich und ihre beiden Kinder sorgen.weiterlesen
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