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Verhängnisvolle Spaltungen

Versuche zur Zivilisierung wissenschaftlichen Wissens

Produktform: Buch / Einband - fest (Hardcover)

Die wissenschaftliche Haltung gegenüber der Welt gilt als vorbildlich für die moderne Zivilisation, die Entwicklung der Wissenschaften als klarster Ausdruck des Zivilisationsprozesses. Oft wird von der modernen als einer wissenschaftlichen Zivilisation gesprochen. Wozu dann Versuche zur Zivilisierung wissenschaftlichen Wissens? Weil beispielsweise die medizinischen Menschenversuche im Nationalsozialismus oder die militärische Nutzung der Kernspaltung für ein Bild der modernen Wissenschaften als Werkzeuge des 'Zusammenbruchs der Zivilisation' stehen. Manche Sozialwissenschaftler sagen sogar, eben der Zusammenbruch sei die Zivilisa-tion. – Ein zutiefst gespaltenes Bild! Solche gespaltenen und spaltenden Fragestellungen unterlaufend setzt dieses Buch in Mikrostudien und theoretischen Überblicken anders an: Es geht nicht mehr um die wissenschaftliche Haltung gegenüber der Welt, sondern um die wissenschaftliche Haltung in der Welt. Zivilisationsprozesse gehen durch Menschen hindurch, sie finden nicht nur zwischen, sondern auch in Menschen statt. So auch Entzivilisierungsprozesse. Beide – Zivilisationsprozesse und Entzivilisierungsprozesse – sind früh an Veränderungen des Sprechens ablesbar. Das Denken von Zivilisationsprozessen erfordert Zivilisationsprozesse des Denkens. Dieser Zusammenhang ist nirgends besser sichtbar zu machen als an Reichweite und Grenzen der zivilisa-tionstheoretischen und der wissenssoziologischen Arbeit von Norbert Elias. Elias selbst hat den Zusammenhang zwischen seiner Zivilisationstheorie und seiner Wissenssoziologie nicht ausgearbeitet. Waldhoffs Arbeit an der Wissenssoziologie als Zivilisationstheorie führt zwei bisher unverbundene Wissensströme zusammen. Ausgangspunkt ist das Elias’sche Konzept von Engagement und Distanzierung, welches einleitend, unter anderem in einem Gespräch des Autors mit Norbert Elias, aufgegriffen wird. In diesem Modell geht es um menschliche Phantasie, die gesellschaftlichen Standards ihrer Kontrollen und die sehr unterschiedlich entwickelte Fähigkeit der Steuerung naturaler im Vergleich zu sozialen Beziehungen. Warum, fragt Elias, ist immer mehr menschlichen Gesellschaften mit dem historischen Durchbruch zu den Naturwissenschaften ein zunehmend klarer Blick auf natürliche Zusammenhänge geglückt, während ihr Blick auf gesellschaftliche Zusammenhänge noch immer von wenig kontrollierten Phantasien verhangen ist? Diese vergleichsweise geringe gesellschaftliche Steuerungsfähigkeit verwandelt zudem die stets wachsenden technischen Fähigkeiten in große Gefahrenquellen, wie an der höchst destruktiven waffentechnologischen Entwicklung oder dem Missbrauch von medizinischem Wissen, beispielsweise bei Folter, ablesbar. Nach der einleitenden Skizzierung und Anwendung von Elias’ zivilisationstheoretischen und wissenssoziologischen Modellen auf diesen selbst, wird der zivilisationstheoretische Ansatz unter Einbeziehung der Arbeit vieler anderer Menschenwissenschaftler, vor allem von Soziologen, Psychoanalytikern und Historikern erweitert. Die Verflechtung von Fremdheitsgefühlen und Zivilisierung in Bezug auf Forschungsobjekte und Forschungsfelder, auf andere Menschengruppen und auf die jeweils eigene Person bildet das Themenfeld im zweiten Abschnitt des Buches. Schließlich geht es im dritten und letzten Abschnitt um die spannungsreich ineinandergreifenden Prozesse der Zivilisierung und Entzivilisierung gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Wissens selbst. An Fallbeispielen aus der Migrationsforschung, der Wissenschaftsforschung, der kollektiven Erinnerung und der Raumforschung, die theoretisch und empirisch durchgearbeitet werden, erweist sich die aufschließende Kraft der Perspektive einer prozessualen Zivilisationstheorie. Ein spaltendes Menschenbild, zu dem die Übernahme bestimmter analytisch-reduktionistischer Modelle aus den Naturwissenschaften in die Wissenschaften vom Menschen führt, erweist sich zunehmend als verhängnisvoll zerstörerische Tendenz in der Entwicklung der modernen wissenschaftlichen Zivilisation. Waldhoff zeigt demgegenüber die Chancen alternativer Modelle der reflexiven Zivilisierung des Menschenbildes durch theoriegeleitete Betrachtung ganzer Menschen in ihren gelebten Zusammenhängen auf.weiterlesen

Sprache(n): Deutsch

ISBN: 978-3-938808-73-3 / 978-3938808733 / 9783938808733

Verlag: Velbrück

Erscheinungsdatum: 27.11.2009

Seiten: 360

Auflage: 1

Autor(en): Hans-Peter Waldhoff

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