Zwei jüdische Überlebensgeschichten der NS-Aktion 1005 in Kiew Babyn Jar 1943
Produktform: Buch
Aus dem Vorwort von Erhard Roy Wiehn, Jüdische Schicksale in Kiew 1941–1943 (1993)
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Im Frühjahr 1942 wurde am nordwestlichen Stadtrand von Kiew ein Konzentrationslager errichtet bzw. ausgebaut, von den Deutschen nach einem benachbarten Stadtteil Lager Syrez genannt. Dort gab es Hunderte von Gefangenen, Männer und Frauen, Juden, Russen, Ukrainer; Lagerchef war der SS-Sturmbannführer (Major) Paul (von?) Radomski, ein Killer und Sadist, der die Häftlinge schrecklich quälen und viele erschießen ließ. SS-Standartenführer (Oberst) Paul Blobel gab in einer am 18. Juni 1947 datierten eidesstattlichen Erklärung zu Protokoll, die am 8. April 1948 vor dem Internationalen Militärtribunal in Nürnberg verlesen wurde, dass er im Juni 1942 mit der Aufgabe betraut wurde, die Spuren der von den deutschen Einsatzgruppen im Osten durchgeführten Exekutionen zu beseitigen. Die Aktion erhielt nach dem Geschäftszeichen des Reichssicherheitshauptamtes in Berlin die Bezeichnung 1005, unterstand dort dem Amt IV und begann im Frühsommer des Jahres 1942.
Im Lager Syrez waren damals ca. 330 Menschen in primitiven Erdhütten inhaftiert, vor allem Juden, die alle seit 1941 schon Schreckliches durchgemacht hatten. Diese Häftlinge wurden nun dazu eingesetzt, Tausende von Leichen derer auszugraben, die seit Ende September 1941 in Babij Jar erschossen worden waren, sie auf Wertgegenstände zu untersuchen, schließlich zu verbrennen, ihre Knochen zu zerkleinern und ihre Asche zu verstreuen. – Im Augenzeugenbericht eines Angehörigen der Schutzpolizei vom Oktober 1945 heißt es unter anderem: "Jeder Häftling war an beiden Beinen gefesselt mit einer 2–4 Meter langen Kette... Die Leichenhaufen wurden nicht zu regelmäßigen Zeiten angezündet, sondern immer, wenn ein oder mehrere Haufen fertig waren, bedeckt mit Holz und getränkt mit Öl und Benzin." In Blobels eidesstattlicher Erklärung vom 1. August Juni 1947 heißt es: "Bei meinem Besuchen im August besichtigte ich selbst die Verbrennung von Leichen in einem Massengrab bei Kiew. Dieses Grab war ungefähr 55 m lang, 3 m breit und 2 ½ m tief. Nachdem die Decke abgehoben worden war, wurden die Leichen mit Brennstoff bedeckt und angezündet. Es dauerte ungefähr zwei Tage, bis das Grab bis zum Boden durchgeglüht war. Danach wurde das Grab zugeworfen, und alle Spuren waren damit so gut wie verwischt. Wegen des Anrückens der Front war es nicht möglich, die weiter im Süden und Osten befindlichen Massengräber, die von den Exekutionen der Einsatzgruppen herrührten, zu zerstören." – Da die Häftlinge des Lagers Syrez fürchten mussten, als lästige Zeugen am Ende selbst erschossen zu werden, brachen sie am 29. September 1943 aus dem Sklavenlager aus, wobei die meisten schon auf der Flucht erschossen wurden. Nur 14 Männer überlebten damals, zwei von ihnen leben heute (1992/93!) noch in Kiew: Dawid Budnik und Jakow Kaper (Kapjer).
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"Meine Generation hat alles für den Sieg über das faschistische Deutschland getan", so Dawid Budnik am Ende seiner Überlebensbiographie: "Der Faschismus wurde zerschlagen, ist aber noch nicht restlos vernichtet. Heute versucht er, wieder aufzuleben und droht der Menschheit mit neuen Katastrophen. Ich glaube aber, daß unsere Kinder und Enkel das nicht zulassen werden." Hoffentlich. Damit jedenfalls auch künftig nachlesbar bleibt, wohin Hass und Völkerfeindschaft führen, musste dieses Buch zweier einzigartiger Zeitzeugen zustande gebracht werden. Darüber hinaus handelt es sich um eine Würdigung von Menschen, die für alles erlittene Unrecht und Leid niemals auch nur die Spur einer Wiedergutmachung erfuhren. Nicht zuletzt aber ist diese Publikation speziell zu Ehren von Dawid Budnik und Jakow Kaper gedacht, die am 29. September 2018 den 75. Jahrestag ihrer Befreiung hätten.weiterlesen