Ich würde wegen dieser Gedichte gar nichts zu erinnern haben, wenn ich nicht ein Frauenzimmer wäre. Eine Mannsperson hat die Freyheit, von Liebe und Weine zu scherzen, ohne befürchten zu dürfen, daß man es ihr übel auslegen werde. Unser Geschlecht ist hierinnen weit mehr eingeschränkt: und ich sehe es für ganz nothwendig an, mir hier eine Vertheidigung im Voraus zu machen.«
Johanne Charlotte Unzer, geborene Ziegler, (1725–1782) war in der Mitte des 18. Jahrhunderts eine Autorin viel gelesener und hoch gelobter anakreontischer Gedichte. Man darf die mit dem Dichterlorbeer gekrönte Unzer zweifelsohne als veritable Vertreterin der zweiten Hallischen Dichterschule begreifen. Die originelle Schreibweise, die sich Bahn bricht, wenn aus weiblicher Perspektive auf die anakreontische Trias von Wein, Weib und Gesang geblickt wird, lässt Gedichte von großem Witz und Pointenreichtum entstehen. In geselligem, scherzhaftem Ton werden Gleim, Hagedorn, Gellert, Fontenelle und viele andere zu Unzers literarischen Gesprächspartnern.
Im Gegensatz zu den Genannten ist Johanne Charlotte Unzer in der deutschen Literaturgeschichte eine bisher weitestgehend unbekannte Autorin geblieben. In den Kanonisierungsbestrebungen des 19. Jahrhunderts wurden diese Scherzgedichte für zu leicht befunden, um weiter im literarischen Gedächtnis tradiert zu werden. Die erstmalige vollständige und kommentierte Edition des Versuchs in Scherzgedichten in der zweiten, vermehrten Ausgabe von 1753 soll zur Neuentdeckung dieser ansonsten nur wenigen spezialisierten Literaturwissenschaftler*innen bekannten Dichterin einladen. Ein Nachwort führt in den literaturhistorischen und werkgeschichtlichen Kontext des Versuchs in Scherzgedichten ein.weiterlesen