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Verwandtschaft, Religion und Geschlecht im Aserbaidschan

Produktform: Buch / Einband - fest (Hardcover)

Dieses Buch basiert auf mehreren, zwischen 1995 und 1999 durchgeführten Feldforschungen im ländlichen Aserbaidschan und behandelt genderspezifische Ideologeme innerhalb der beiden untersuchten Bereiche von Verwandtschaft und Religion. Im ländlichen Aserbaidschan beruhen patrilineare Abstammungkategorien auf der Idee der Knochenverwandtschaft. Auf dieser Grundlage können sich agnatische Solidargruppen bilden, die aber weder eine permanente soziale Struktur ausbilden, noch alle Individuen umfassen. Patrilineare Abstammungskategorien sind somit nicht gesellschaftliche Struktur, sondern lediglich Option, die dann gewählt wird, wenn einzelne, wirtschaftlich erfolgreiche Mitglieder über die Verflechtung von primär agnatischer Verwandtschaft mit staatlicher Bürokratie materielle Vorteile erzielen können. Nur dann werden Solidargruppen gebildet, die in ihrer Abhängigkeit vom Erfolg Einzelner in ihrer Existenz sehr fragil sind.Werden Agnaten als Knochenverwandtschaft konzipiert, so gilt die uterine Verwandtschaft als Milchverwandtschaft. Knochenverwandtschaft bezieht sich primär auf Männer, schafft patrilineare Kontinuität und objektiviert in der Heiratsallianz die „Milch“ bzw. die Frau als Fremde. Dagegen bezieht sich die Milchverwandtschaft primär auf Frauen, ist unabhängig von agnatischen Grenzziehungen und betont mit den zentralen Konzepten von Mutterschaft und Geburt den allgemeinen Lebensprozess schlechthin. „Knochen“ und „Milch“ stehen aber auch für die geschwisterliche Einheit, für Bruder und Schwester und stellen den Wert der Konsanguinität vor den der Affinität.Dem Topos des allgemeinen Lebensprozesses begegnen wir in der frauenspezifischen religiösen Praxis wieder. In den (para) religiösen Phänomenen von Traum, Wahrsagung, Wallfahrt und in lebenszyklischen Ritualen wird die Bedeutung des Lebensprozesses in Spannung zu den sich im Rahmen der Re-Islamisierung erst etablierenden „orthodoxen“ islamischen Vorstellungen konstituiert. So formulieren die lebenszyklischen Rituale das Verhältnis des weiblichen Körpers zum islamischen Reinheitsgebot unterschiedlich von der Auffassung des so genannten orthodoxen Islam. Weibliche Unreinheit nach Hochzeit und Geburt wird nicht mehr negativ, als Teil des Ausschlussprozesses von Frauen definiert, sondern Fruchtbarkeit und Unreinheit bedingen sich gegenseitig und sind aneinander gebunden.Vergleichbare Arbeiten zu den ehemaligen islamischen Sowjetrepubliken liegen bislang nicht vor. Mit der Präsentation grundsätzlich neuer ethnographischer Daten liefert das Buch nicht nur einen wesentlichen Beitrag zu den auf Verwandtschaft und Religion bezogenen kognitiven Ideensystemen der Bewohner Aserbaidschans; darüber hinaus werden neue Ergebnisse für die ethnologische Verwandtschaftstheorie, zu Fragen von Gender sowie neue Erkenntnisse zu Komplexen wie Fehde, Frauen- und Männersprache und Körperlichkeit vorgestellt.weiterlesen

Dieser Artikel gehört zu den folgenden Serien

Sprache(n): Deutsch

ISBN: 978-3-89500-419-3 / 978-3895004193 / 9783895004193

Verlag: Reichert, L

Erscheinungsdatum: 30.06.2005

Seiten: 220

Autor(en): Ingrid Pfluger-Schindlbeck

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