Viddha meint auf Sanskrit die Wunde, die Schadstelle, den Schmerzensfleck, die dem Menschen eigen sind und gleichwohl nicht vermeidbar. Wunden erschaffen Achtsamkeit und Solidarität. Der Lebensweg des Menschen durch Raum, Zeit und Kulturen ist lang und unüberschaubar, die Gestalt und die Genese des Humanums, gar die Mitarbeit an einem Humanismus sind ein weites Feld: darin zentriert sich und zirkuliert der Blick und die Aufgabe von Heilpädagogik.
Das „Viddha“-Projekt (2020) ist ein unterdessen 7-jähriger, vorsichtiger Beitrag zu der randständigen, land- und menschenverbundenen International Vergleichenden Heil- und Sonderpädagogik, schließt sich an den „Samsara“-Essay (2010) und den „Maya“-Entwurf (2012) als eine dritte Stufenfolge an: als eine fortschreitende Inwendigkeit im hermeneutischen Gang von Außen nach Innen, als ein Versuch einer vermehrt heilpädagogischen Beziehungsanalyse, in deren Mitte Bubers Zwischenmensch und Levinas´ Verwundung stehen. Mensch und Mitwelt sind beschädigte Wesen, verletzliche Geschöpfe, in ihrer Erschwernis nicht alleinbleibend aber, existieren in der anthropologischen Grundkonstante eines homo vulnerabilis. Denn „den Anderen anerkennen heißt einen Hunger anerkennen“, schrieb Levinas: die Grundbedingung der Verwundbarkeit, Verletzlichkeit, Vulnerabilität und der Demut gilt es zu lernen, vielleicht kennenzulernen, - und somit ist Bildung ein enger „Feldweg“ (Heidegger) durch das eigene und anderer Leben, durch das eigene „Glasperlenspiel“ (Hesse) aus Innen und Außen auf wackligen Böden mit all den besagten Begegnungen, die einen treffen, zufallen und zustoßen, und die wiederum Aufgaben werden für die Fortbewegung der eigenen behinderten Bildung des alteuropäischen imago dei.
Die Begegnung mit der Alterität zeugt das Bewußtsein unserer selbst und unserer begrenzten Freiheit, zeugt die tiefe Unruhe des Denkens und Beobachtens. Diese Unruhe umreißt hier im Jasper´schen Sinne das Chiffre Indien (mit afrikanischem Exkurs). Von daher ist diese Aufsatzsammlung auch eine Beobachtung von erstaunlicher Rückwirkung, eine Refluenz der prägnanten indischen Erfahrung auf die europäische Situation. Die Refluenz hat den Autor indischer gemacht; die Begegnung ändert ihre Menschen zweifelsohne und selbstrevidierend. „Am Ende wird man was man wählt zu sein“, mag der wandernde Bhakti-Dichter Tukaram des 17. Jh.s das unruhige Denken des Humanismus als sonderhafte oder heilfertige conditio educativa rekogniszieren. Lebensfreude schimmert allerorten.weiterlesen