Am 29. Dezember jährt sich das guatemaltekische Friedensabkommen zwischen Staat und der linksgerichteten Guerrilla URNG zum zehnten Mal. Doch die Gewalt im Land hat seitdem keineswegs ab-, sondern zugenommen, wie unterschiedliche Statistiken zu Mord und Totschlag belegen. Heidrun Zinecker untersucht die Formen und Ursachen dieser Gewalt im Frieden und stellt fest, dass es sich nicht um eine Fortführung der Kriegsgewalt mit anderen Mitteln handelt, sondern um eine Nachkriegsgewalt, die hauptsächlich krimineller und weniger politischer Natur ist.
Bei den Ursachen dieser Gewalt unterscheidet die Autorin zwischen Möglichkeits- und Verhinderungsstrukturen. Möglichkeitsstrukturen bilden einen Nährboden für Gewalt, der vor allem aus einer unvollendeten Demokratisierung und einem ebenfalls unvollendeten Übergang von der sog. Rentenökonomie zur Marktwirtschaft entsteht. Verhinderungsstrukturen dagegen erreichen, dass Gewaltkriminalität trotz vorhandener Möglichkeitsstrukturen nicht zum Ausbruch kommt. Wenn sie jedoch fehlen oder schlecht funktionieren, verstärken sie die Möglichkeitsstrukturen zusätzlich. Im Falle Guatemalas fehlen tatsächlich wichtige Verhinderungsstrukturen: Vor allem im Sicherheitssektor, also bei Polizei und Justiz, gibt es erhebliche Defizite, und auch das demokratische Engagement der Zivilgesellschaft zur Gewaltvorbeugung reicht nicht aus.
Heidrun Zinecker stützt ihre Studie auf rund 50 Interviews, die sie im März 2006 in Guatemala mit Akademikern, Politikern, Polizei- und Justizangehörigen, Maya-Priestern, Aktivisten von Nichtregierungsorganisationen und sogar Gewalttätern im Strafvollzug geführt hat. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass auch in von hoher Armut gekennzeichneten Gesellschaften Gewalt eingehegt werden kann. Dies kann geschehen, indem Investitionen in die verarbeitende Industrie getätigt werden, somit Arbeit gestärkt, und dafür gesorgt wird, dass der Sicherheitssektor funktioniert.weiterlesen