Volksabstimmungen und andere Grenzlösungen nach dem Ersten Weltkrieg
Produktform: Buch
Nach dem Ersten Weltkrieg trafen sich in Paris die alliierten Siegermächte ab Jänner 1919 zur Friedenskonferenz. Reiche waren zerfallen - es galt, eine große Zahl von Grenzen zu regeln. Man wollte eine neue Art des Friedenschließens; der Ruf nach "Selbstbestimmung der Völker" war allgegenwärtig. Folglich erlebte auch die Idee der Volksabstimmung eine Blütezeit. Von vielen Seiten, auch von Wien, wurde die Forderung nach Plebisziten an die Konferenz herangetragen. Trotzdem haben die alliierten Friedensmacher dieses Instrument nur sehr sparsam eingesetzt. Volksabstimmungen waren langwierig und kostspielig, schnelle Entscheidungen am Grünen Tisch angesichts des Wusts an Problemen zielführender.
Im vorliegendem Buch werden drei Plebiszite aus dem Vertrag von Versailles mit dem Deutschen Reich behandelt: Schleswig, Ostpreußen und Oberschlesien. Die Volksabstimmung in Schleswig vom Februar/März 1920 führte dazu, dass der nördliche Teil Schleswigs zu Dänemark kam. Die deutsch-dänische Grenze verlief fortan knapp nördlich von Flensburg und hielt so bis heute.
In Ostpreußen stimmten am 11. Juli 1920 97,89 Prozent der Bevölkerung für Deutschland und gegen Polen. Die hier lebenden polnisch sprechenden Masuren mit evangelischem Bekenntnis trugen entscheidend zum Ergebnis bei.
Die Auseinandersetzung um Oberschlesien zwischen Polen und dem Deutschen Reich zog sich lange hin, wurde diplomatisch und militärisch ausgefochten. Die Abstimmung am 20. März 1921 brachte 59,4 Prozent der Stimmen für Deutschland. Polen forderte auch das westlich anschließende Gebiet von Teschen. Hier trafen die Interessen der Polen und Tschechen aufeinander. Das für 12. Juli 1920 anberaumte Plebiszit wurde abgesagt, das Gebiet geteilt.
Der Staatsvertrag von St. Germain mit Österreich sah nur eine Volksabstimmung vor, die Kärntner; sie nimmt verständlicherweise einen zentralen Platz im vorliegenden Buch ein.
Unter Außerachtlassung des Selbstbestimmungsrechtes ist Südtirol an Italien abgetreten worden. Frankreich und Großbritannien waren durch den Londoner Vertrag von 1915, in dem Italien für den Kriegseintritt eine Grenze in Tirol entlang der Wasserscheide der Alpen versprochen worden war, gebunden.
Das Schicksal der Untersteiermark wurde gleich nach Kriegsende entschieden - ein militärischer Handstreich von südslawischer Seite, wenig Gegenaktionen durch Graz und die Abhängigkeit von den Lebensmittellieferungen des SHS-Staates für Österreich hatten die Zuteilungen der Untersteiermark an Jugoslawien ohne Volksabstimmung zur Folge.
In den Verträgen von St. Germain und Trianon wurde das Burgenland Österreich zugesprochen. Die Übergabe gestaltete sich schwierig. Ergebnis der Vermittlung Italiens war die Durchführung eines Plebiszits in der Stadt Ödenburg (Sopron) und acht umliegenden ländlichen Gemeinden, das am 14. und 16. Dezember 1921 mit 65 Prozent für Ungarn ausging.
Abschließend wird in einem völkerrechtlichen Beitrag der Blick auf Selbstbestimmung und Plebiszite im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts geworfen, wo u. a. während der Dekolonisierungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg und bezüglich der Referenden nach Auflösung der Sowjetunion und dem Zerfall Jugoslawiens.weiterlesen