Vom Hund und vom Schwanz
Zum Verhältnis von Exekutive und Legislative
Produktform: Buch / Einband - flex.(Paperback)
Das Generalthema der 15. Hannah-Arendt-Tage legt den Schwerpunkt auf das Verhältnis von Exekutive und Legislative. Ich halte es nicht grundsätzlich für problematisch, dass ein Großteil der Gesetzesvorhaben in der Exekutive vorbereitet wird. Der deutsche Parlamentstypus ist eine Mischung aus Arbeits- und Redeparlament, die Regierung wird von der Mehrheit der Abgeordneten getragen. Auch die hiermit verbundene Praxis der Fraktionsdisziplin bei Abstimmungen halte ich für legitim. Man könnte sogar die These vertreten, dass diese Fraktionsdisziplin es Lobbyisten erschwert, einzelne Abgeordnete zu ihren Handlangern zu machen. Nicht verhindern kann sie allerdings skandalöse Fälle parlamentarischer Lobbyarbeit wie wir sie gerade am Beispiel des Meldegesetzes erlebt haben. Hier hatten offensichtlich die am Adressenhandel interessierten Kreise nach dem erfolglosen Einwirken auf die Ministerialbürokratie nicht aufgegeben und 'ihr Glück' nunmehr erfolgreich bei den 'zuständigen' Parlamentariern versucht.
Was die oben dargestellte Gefährdung des Primats der Politik angeht, so gilt sie für Exekutive und Legislative gleichermaßen. Das Parlament wäre hier allerdings in besonderem Maße aufgerufen 'sinnstiftend' zu wirken und einer Politik der Verantwortungsverweigerung, die sich auf Sachzwänge beruft und 'Alternativlosigkeit' zu ihrem Markenzeichen gemacht hat, entgegenzutreten. Wenn man von einem Legitimitätsverlust des Parlaments spricht und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Integrität von Abgeordneten gefährdet ist, so hat dies andere Gründe.
Die aktuelle Eurokrise sowie die mehr oder weniger hilflosen Versuche auch der deutschen Regierung, den Kollaps der Finanzmärkte und damit – wie man uns sagt – auch des gesamten Europäischen Integrationsprojekts – zu verhindern, hat die Ohnmacht des Deutschen Bundestages überdeutlich gemacht. Hieran ändern m. E. auch die Versuche des Bundesverfassungsgerichts nichts, die nur dazu führen, dass Parlamentarier Entscheidungen legitimieren sollen, deren Tragweite und Auswirkungen sie nicht überblicken können.
Andere Beispiele sind inzwischen Geschichte. Ich rede von den 'Geheimverhandlungen' der Bundesregierung mit der Stromwirtschaft zur Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke sowie zuvor der ähnlich zustande gekommene Konsens der rot-grünen Bundesregierung mit dem gegenteiligen Inhalt. In beiden Fällen konnte der Bundestag die Vereinbarungen lediglich ratifizieren nicht aber inhaltlich verändern. Die Beispiele sind m. E. heute noch relevant, weil sie die zwangsläufige Konsequenz einer 'Verhandlungsdemokratie' sind, in der von der Exekutive Problemlösungen an 'Runden Tischen' gesucht werden im Kreise der maßgeblich betroffenen Interessenten, unter Ausschluss der Öffentlichkeit und einer politischen Opposition. Da solche Verhandlungen häufig in freiwilligen Vereinbarungen münden und damit den Verzicht auf die Einschaltung des Gesetzgebers zur Folge haben, wird der Souverän hier vollständig übergangen. Transparenz könnte der Erosion parlamentarischer Legitimation möglicherweise Einhalt gebieten – gefragt wäre das Parlament dann nicht in erster Linie als Gesetzgeber sondern als Ort öffentlicher Debatte und der Diskussion von Alternativen.
Kommen wir zur Reputation der Abgeordneten, denen anscheinend viele Bürgerinnen und Bürger mehr Eigennutz als Gemeinnutz unterstellen. Ich meine, Sie tun damit einem großen Teil der Parlamentarier unrecht. Umso unverständlicher ist es, warum diese nicht aktiv daran arbeiten, dem Verdacht unredlicher Vorteilsnahme und mangelnder Unabhängigkeit entgegenzutreten. Seit knapp 10 Jahren scheitert die Ratifizierung der UN Konvention gegen Korruption an der Weigerung des Bundestages den Straftatbestand der
Abgeordnetenbestechung zu verschärfen. Nach wie vor unbefriedigend ist aus unserer Sicht die Regelung zur Offenlegung der Nebeneinkünfte von Abgeordneten. Sie werden derzeit in drei Stufen publiziert bis zur Höchststufe von 7000 EUR. Gerade einflussreiche und prominente Abgeordnete kassieren ein Vielfaches dieses Betrages für Vorträge vor interessierten Kreisen. Wir halten eine betragsgenaue Offenlegung unter Nennung des Absenders für erforderlich. Das Verschleiern der Nutznießer gut bezahlter Dienstleistungen durch das Zwischenschalten von Redneragenturen dient sicherlich nicht der Vertrauensbildung.
Unverständlich ist für uns auch, warum nicht mehr Parlamentarier aus eigenem Interesse Forderungen unterstützen, die auf mehr Transparenz des Handelns der Exekutive sowie die Offenlegung von Interesseneinflüssen abzielen. Nennen möchte ich die Verbesserung der Informationsfreiheitsgesetze, die Durchsetzung aussagefähiger Transparenzgebote zur Tätigkeit von Lobbyisten sowie zu den Interessenkonflikten von Sachverständigen, die an der regierungsinternen Vorbereitung von Gesetzesvorhaben beteiligt werden. Es wäre aus unserer Sicht eine der vornehmsten Aufgaben des Parlaments im Gesetzgebungsverfahren darauf zu achten, dass im Zuge der Entscheidungsvorbereitung alle betroffenen Interessen gehört und eine ausgewogene und unparteiische Interessenbeteiligung stattgefunden hat. Wir stellen uns vor, dass die Initiatoren gesetzlicher Regelungen – seien es die Bundesregierung, der Bundesrat oder Abgeordnete aus der Mitte des Bundestages – verpflichtet werden, der Begründung des Gesetzesentwurfs einen 'Steckbrief' der beteiligten Interessen beizufügen.
Aus dem Beitrag von Edda Müller (Vorstandsvorsitzende Transparency International Deutschland):
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