Vom sozialistischen VEB zum kapitalistischen Unternehmen
Eine Analyse der Industriereformen in Osteuropa (1989-1994)
Produktform: Buch
Zu Beginn der 1990er Jahre überschlagen sich die Ereignisse: Nach dem Fall der Berliner Mauer folgt rasch der Zusammenbruch des sozialistischen Ostblocks, worauf sich anfänglich optimistische Wirtschaftsprogramme der einzelnen Staaten sowie von IWF, Weltbank und Europäischer Entwicklungsbank angesichts des rasanten Einbruchs der Produktion und eines flächendeckenden Anstiegs der Arbeitslosigkeit schnell als naiv erweisen. Die Vorstellung eines raschen und reibungslosen Übergangs in die sog. freie Marktwirtschaft wird schnell von der Realität eingeholt.
Bereits 1996 liefert Christian von Hirschhausen mit diesem Buch eine erste kritische Bilanz der postsozialistischen Situation. Diese Situation bezeichnet nicht bloß ein faktisches „Nach“ dem Sozialismus, sondern zeichnet sich durch eine strukturelle Überforderung der Akteure aus, was der Autor nicht nur hinsichtlich der zahlreichen staatlichen Wirtschaftsprogramme, sondern auch in Bezug auf die zentralen ökonomischen Theorien zeigt, die in diesen Programmen mitunter zur Anwendung gelangen. Wie der Autor zeigt, erweist sich dabei, dass sowohl die Wirtschaftstheorien als auch die Regierungsprogramme gerade deshalb scheitern, weil sie einem falschen Begriff vom Sozialismus aufsitzen. Die gemeinsame Grundannahme aller Beteiligten besteht darin, dass sie das Verhältnis zwischen Sozialismus und Postsozialismus entlang einer Kontinuität zweier Wirtschaftsformen verstehen: der zwischen Plan- (öffentliche Unternehmen) und Marktwirtschaft (Privatunternehmen).
Entgegen dieser Behauptung eines wie auch immer komplexen "Übergangs" entwickelt das Buch zwei Thesen, die sich wechselseitig erhellen: 1.) zwischen Sozialismus und Postsozialismus besteht ein irreversibler Bruch. 2.) Im Sozialismus gibt es keine Ökonomik. Diese Thesen werden in den zwei Hauptteilen des Buchs dargelegt und anhand von ausgewählten Fallstudien untersucht.
Im ersten Teil des Buchs wird dargelegt, dass die Produktion im Sozialismus keine eigenständige Rationalitätssphäre beanspruchen kann. Um zu verstehen, dass und wie die Produktion im Sozialismus nicht-ökonomisch organisiert ist, muss diese von der Ebene ihrer industriellen Grundeinheit her begriffen werden: dem Volkseigenen Betrieb (VEB). Gerade die Untersuchung dieser basalen Produktionseinheiten lässt evident werden, dass es im Sozialismus keine eigenständige ökonomische Rationalität gibt. Ein VEB ist als „Stück“ des sozialistischen Partei-Staats aufzufassen, in dem die konstitutive Polyfunktionalität dieses Staates zur Geltung gelangt: die Funktionen von Produktion, Sozialleistungen und Kontrolle. Zwischen diesen Funktionen lässt sich kein fester Vorrang ausmachen.
Davon ausgehend entfaltet der zweite Teil des Buchs die These vom irreversiblen Bruch zwischen Sozialismus und Postsozialismus. Aufgrund der Abwesenheit der Ökonomik im Sozialismus muss die von den ökonomischen Schulen angenommene Kontinuität zwischen zwei Wirtschaftsformen verworfen und durch die Behauptung eines irreversiblen Bruchs ersetzt werden. Die Konsequenzen dieses Bruchs entfalten sich in zwei miteinander verzahnten Prozessen: 1.) die Monetarisierung als Einführung des Geldes als eines allgemeinen Äquivalents, die VEB und Partei-Staat beseitigt; 2.) der Prozess der Kapitalisierung, in dem Bestandteilen des VEB ein juristischer Eigentumsstatus verliehen wird (öffentlich oder privat) und nach Eruierung ihrer Rentabilität aus ihnen neue Unternehmen entstehen. Der ehemals sozialistische VEB wird so zum kapitalistischen Unternehmen.weiterlesen