Vom Symbol zur Realität
Studien zur politischen Kultur des Ostseeraums und des östlichen Europas
Produktform: E-Buch Text Elektronisches Buch in proprietärem
Der Ostseeraum und der Osten Europas insgesamt kann als Laboratorium eines zukünftigen Europas betrachtet werden. Diese Deutung ist bis jetzt überproportional für die ökonomische Entwicklung, die sich zugleich als politische Modernisierungstheorie generiert, in Anspruch genommen worden. Zweifelsohne haben einige Länder Osteuropas von dieser Entwicklung ökonomisch profitiert, wobei sich dabei die sozialen Spannungen eher verschärft haben. Die Prophezeiungen der 90er Jahre nach schnellem Reichtum sind allerdings nicht in Erfüllung gegangen.
Eine grundsätzliche Prämisse dieses Buches ist: Die Modernisierung eines Landes hängt von spezifischen kulturellen Voraussetzungen ab, die die politische Basis für die Bereitschaft und Möglichkeit einer modernisierenden Entwicklung darstellt. Die Deutung einer Entwicklung als "modern" steht daher in einem Spannungszustand zu den Symbolen des Selbstverständnisses eines Landes im Prozess seiner historischen Existenz. Die Bezeichnung dieses Verhältnisses als "politische Kultur" trifft diesen Zusammenhang genau, insofern sie einen gemeinsamen Bedeutungszusammenhang deutlich macht.
Politik kann demnach nicht als Projektion eines autonomen Ich zum Zwecke seiner Realisierung in der Gesellschaft angesehen werden, sondern das "missing link" zwischen Individuum und Gesellschaft ist die nicht gegenständlich verfügbare Symbolebene der sog. politischen Kultur – der Ort, wo Macht und Geist zusammenstoßen und zuweilen ein höchst eigenartiges Gemisch entsteht. Das Politische durchzieht sämtliche Ebenen der Gesellschaft und äußert sich in der oftmals stereotypen Art und Weise wie politische Konflikte gemeistert oder verloren werden. Ordnungsvorstellungen können nicht frei konstruiert werden, sie sind das Resultat der Erfahrung von Unordnung und dem Wunsch, ein geordnetes und sinnhaftes Leben zu führen. Sie dürfen nicht mit einer sog. Identität verwechselt werden – Identitäten gibt es mehrere, nicht aber Ordnungskonzeptionen in einem solchen Sinne. Sie sind in mythischer Form immer schon vorhanden und werden oftmals mit dem Terminus "politische Religion" umschrieben, deren übrig gebliebene Strukturen ihren christlichen Hintergrund nicht verleugnen können.
Eine der entscheidenden Spekulationstypen im östlichen Europa ist die Politisierung von Sprache, Kultur und Ethnos mit dem Ziel der Einheit und Freiheit. Diese Tatsache zeitigt bis zum heutigen Tag weit reichende Folgen, wobei die Hoffnung besteht, dass deren Analyse innerhalb der EU in ruhigeres Fahrwasser als bisher gelenkt werden könnte.weiterlesen
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