Vom tribologischen Modellversuch zum Maschinenelement
Produktform: Buch
Kurzfassung: „Vom tribologischen Modellversuch zum Maschinenelement: Berücksichtigung des rheologischen Verhaltens von Schmierstoffen in der Wälzlagersimulation“, Diss. Torben Fruth
Infolge der stetig wachsenden Leistungsnachfrage sowie der wirtschaftlichen und umweltpolitischen Einflussfaktoren sind die Ansprüche an Effizienz und Zuverlässigkeit technischer Systeme in den letzten Jahren enorm gestiegen. Die damit verbundenen Herausforderungen sind häufig nur über eine anwendungsspezifisch optimierte Auslegung und Abstimmung der verwendeten Maschinenelemente möglich.
Wälzlager sind ein wesentlicher Bestandteil einer Vielzahl technischer Systeme und tragen maßgeblich zu deren Funktion bei. Die Auswahl und Formulierung geeigneter Schmierstoffe stellt aufgrund komplexer tribologischer Wechselwirkungen eine Herausforderung dar, welche trotz intensiver interdisziplinärer Forschungsarbeiten und modernen Analyse- und Simulationsmethoden bis heute häufig auf langjährigen empirischen Erfahrungswerten beruht. Zur Steigerung der Effizienz geschmierter System werden in vielen Anwendungen zunehmend geringer viskose Schmierstoffe eingesetzt um die Reibungsverluste zu reduzieren. Um trotz der damit verbundenen geringeren Schmierfilmdicken dennoch einen ausreichenden Oberflächenschutz der Kontaktpartner sicherzustellen, werden moderne Schmierstoffe mit Additiven versetzt, welche durch ihre chemisch-physikalischen Eigenschaften das tribologische Verhalten hochbelasteter elastohydrodynamischer Kontakte entscheidend verändern können. Das rheologische Verhalten dieser Schmierstoffe ist äußerst komplex und teilweise messtechnisch unter den relevanten Betriebsbedingungen der Anwendung nicht ausreichend erfassbar, sodass pauschalisierte Aussagen über deren Anwendbarkeit in technischen Systemen bisher kaum möglich sind.
Zur Ergänzung zeitlich und finanziell aufwendiger Prüfstandsversuche aber auch zur Analyse dynamischer Vorgänge haben sich moderne Dynamik-Simulationsmethoden als mächtige Werkzeuge etabliert und gewinnen zunehmend an Bedeutung. Eine realitätsnahe Abbildung der reibungsbestimmenden Effekte ist für die Ergebnisgüte und -verwertbarkeit entscheidend. Die Herausforderung der Wälzlagerdynamiksimulation besteht unter anderem in der numerisch effizienten und dennoch hinreichend genauen Abbildung des schmierstoffbedingten Reibungseinflusses über breiten Betriebsbereichen. Am Lehrstuhl für Maschinenelemente und Getriebetechnik (MEGT) der Technischen Universität Kaiserslautern werden seit mehr als fünfzehn Jahren Wälzlagerdynamikmodelle entwickelt und erfolgreich zur Analyse des dynamischen Verhaltens von Wälzlagern eingesetzt.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird untersucht, inwiefern das reibungsbestimmende Verhalten von Schmierstoffen aus vergleichsweise einfachen Modellprüfständen (Tribometern) abgeleitet und durch geeignete Näherungsgleichungen in der Mehrkörperdynamiksimulation von Wälzlagern berücksichtigt werden kann. Während experimentell häufig nur eine integrale Erfassung der Vielzahl unterschiedlicher Reibungsbestandteile möglich ist, werden die Simulationsmodelle eingesetzt um Zusammenhänge einzelner Reibungseffekte in den Kontakten von Wälzlagern zu analysieren. Am Beispiel eines Zylinderrollen- und eines Rillenkugellagers werden die kontaktrelevanten Reibungseinflüsse analysiert, um das grundlegende Verständnis relevanter Einflussgrößen bei Rollen- und Kugellagern zu festigen. Neben gängigen analytischen Modellen zur Reibungsbeschreibung in elastohydrodynamischen Kontakten wird eine Methodik vorgestellt, welche die Berücksichtigung des an Tribometern messtechnisch erfassten Reibungsverhaltens von Schmierstoffen im Rahmen der Mehrkörperdynamiksimulation ermöglicht. Exemplarische Anwendungsbeispiele veranschaulichen potentielle Einsatzmöglichkeiten der Simulationsmodelle und zeigen sehr gute Übereinstimmungen mit dem beobachteten Realverhalten.
Durch eine hinreichend genaue Abbildung des Schmierstoffeinflusses können die entwickelten Wälzlager-Simulationsmodelle zur anwendungsbezogenen Bewertung und Auswahl von geeigneten Schmierstoffen für unterschiedlichste Systeme herangezogen werden. Im Umkehrschluss erlaubt die mögliche Analyse der dynamischen Kontaktzustände eine Aussage über die potentiellen Anforderungen an den Schmierstoff, was für die Entwicklung und Formulierung konkurrenzfähiger moderner Schmierstoffe von großem Interesse ist.weiterlesen